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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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von ihren Eltern geerbt. Sie waren bescheidene Menschen gewesen, die keine anderen Bücher als die Bibel besessen hatten. Nicht einmal mit Asta Adelstensfostres Telefonnummer konnte Hannelil Adelstensfostre ihnen helfen. Aber das konnte ihr wohl niemand vorwerfen, da Asta Adelstensfostre kein Telefon hatte.
    Sie konnten nichts anderes tun, als Kurs auf Kristiansfjord nehmen, eine Reise, die selbst unter den besten Umständen mindestens sieben Tage dauern würde.
    Bevor sie Fjordenhavn verließen, ging Sigbrit Holland in die Stadtbibliothek und lieh sich Bücher zu vielen verschiedenen Themen aus, von Klima, Topografie und Geografie bis zu mehr übernatürlichen Phänomenen, wie Erdstrahlen und Wasseradern, und dem Bermudadreieck, in die der Fischer Ambrosius gerne sehen wollte. Wenn sie nach unbekannten Kräften suchten, wollten sie zumindest systematisch vorgehen!
    Anfangs war das Wetter mit ihnen. Die Sonne brach früh durch den Morgennebel und machte die Luft mild und freundlich. Es war nicht sehr windig, und das Meer war ruhig. Sie konnten vom frühen Morgen bis spät in die hellen Augustabende hinein segeln und brachten Meile um Meile der schönen Schärenküste sicher hinter sich. Aber nach sechs Tagen Sonne, nur eine Tagesreise von Kristiansfjord entfernt, schlug das Wetter um. Der Himmel verdunkelte sich, der Wind frischte auf, und in wenigen Minuten wurden die Wellen meterhoch. Das grün-orangene
Fischerboot wurde von einer Seite auf die andere geworfen, und bald begann Regen herunterzuprasseln. Obwohl es erst Mittag war, musste der Fischer Ambrosius Kurs auf das Land nehmen, und bald lag die Rikke-Marie in einer kleinen Küstenstadt vor Anker, in der eine einzige Mole den Hafen bildete.
    Während Himmel und Erde ineinander übergingen, knisterten Nachrichten aus dem alten Radio des Fischers und informierten sie freimütig darüber, dass das schlechte Wetter noch einige Tage anhalten würde und dass sich die Situation in Fredenshvile beträchtlich verschlechtert hatte. Seit die Wiederauferstandenen Christen aus der Erlöserkirche vertrieben worden waren – mit begrenzten, aber unumgänglichen Verlusten, wie es die Regierung bezeichnete, und mit dem Mord an einem Märtyrer, jetzt einem Helden, und der Verletzung von elf unschuldigen Kindern Gottes, wie Simon Peter II. es bezeichnete –, belagerten die Wiederauferstandenen Christen den südnordischen Reichstag, und nur ein großes Polizeiaufgebot sicherte, dass die Reichstagsmitglieder frei kommen und gehen konnten. Die Wiederauferstandenen Christen beharrten weiter darauf, eine Kirche zugeteilt zu bekommen, forderten jetzt aber zusätzlich, dass die südnordische Regierung die diplomatischen Beziehungen zu Nordnorden abbrach, bis die falschen Wahren Christen Herrn Odin Odin zurückgebracht hatten. Die Nachrichten endeten mit dem Versprechen von Regen und noch mehr Regen, und der Fischer Ambrosius stellte das Radio aus.
    »Wenn Wahnsinn sich ausbreitet, breitet er sich schnell aus«, sagte Brynhild Sigurdskaer. »Bevor der Vorhang fällt, wird Südnorden brennen.«
    In Odins Ohren klang das wie etwas, das er schon einmal gehört hatte, auch wenn er es nicht richtig einordnen konnte. Aber es erinnerte ihn auch an etwas, das erst Herr Bramsentorpf und dann Viktor Valentino gesagt hatte. Der kleine alte Mann wickelte sich den Bart um die Finger und fragte leise: »Ob unterschiedliche Unheilsbotschaften wahrlich ein und das Gleiche bedeuten können, wenn alles zu allem kommt?« Doch noch bevor jemand antworten konnte, war Odin eingeschlafen, überwältigt von der Tragweite seines eigenen Gedankens.

    »Wahnsinn oder nicht«, sagte Sigbrit Holland leise, um Odin nicht zu wecken. »Es dürfte die Gemüter ein wenig beruhigen, wenn wir ein Telegramm nach Hause schicken würden, in dem steht, dass es Odin gut geht und dass er sich weder in den Händen der südnordischen Regierung noch in denen der nordnordischen Wahren Christen noch in denen von irgendjemand anderem befindet!«
    »Auch wenn wir wollten, wir könnten nicht«, brummte der Fischer Ambrosius und sah einen Augenblick aus dem Fenster in den unaufhörlich fallenden Regen. »Zunächst einmal würde uns niemand glauben, und wenn es doch jemand täte, würde das die Lage alles in allem noch verschlimmern, denn dann würde dieser Jemand nach uns suchen. Und wir sollten erst einmal unauffindbar sein, denn die größte Arbeit liegt noch vor uns und nicht hinter uns.«
    Das brachte sie zurück zu den Büchern,

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