Odins Insel
Glück haben und die Spur finden, nach der wir suchen, könnte es immer noch eine gute Idee sein, die Kräfte, die auf der Insel im Spiel sind, zu kennen, bevor wir uns ihr nähern.«
»Dann glaubst du also, dass das, was zum Absturz der Flugzeuge geführt hat, auch Auswirkungen auf ein Boot haben kann?«
»Warum nicht?«
Sigbrit Holland nickte widerwillig. Dann lachte sie.
»Nein, weißt du. Wie konnte Kapitän Hans Adelstensfostre dann zu der Insel hin- und wieder zurücksegeln?«
»Das ist nur eins der Dinge, die wir nicht wissen, holde Frau.« Der Fischer Ambrosius sprach, als wäre die Diskussion damit beendet, doch so leicht gab Sigbrit Holland nicht auf.
»Bis jetzt wissen wir nur, dass ein paar Flugzeuge über der Insel verschwunden sind, genauer gesagt sechs, vier südnordische und zwei nordnordische. Und für ihr Verschwinden kann es viele Gründe geben.« Sie machte eine ausladende Armbewegung. »Klimatische Bewegungen oder topografische Verhältnisse, was weiß ich.«
»Holde Frau, wann hast du zuletzt einen Taifun in der Meerenge beobachtet?«, der Fischer Ambrosius schüttelte den Kopf. »Vergiss nicht, dass es zwischen Himmel und Erde mehr gibt, als du und wir ahnen.«
Sigbrit Hollands Finger begannen leise auf den Küchentisch zu trommeln.
»Ambrosius, wenn überhaupt etwas daran ist, dann ist das ein physikalisches Problem und keine Frage übernatürlicher Kräfte!«
»Nenn es, wie du willst. Tatsache ist, dass Kräfte im Spiel sind, die wir bescheidenen Kreaturen nicht verstehen …«
»Zum jetzigen Zeitpunkt nicht.«
»Gut«, brummte der Fischer Ambrosius und lachte verschmitzt. »Tatsache ist, dass selbst dann, wenn die Menschheit von bestimmten Kräften keine Ahnung hat, ganz zu schweigen von einer Bezeichnung oder einer Anerkennung der Existenz dieser
Kräfte, das nicht notwendigerweise heißt, dass es diese Kräfte nicht gibt.« Der Fischer machte eine kurze Pause. »Selbst wenn es für die besonderen Verhältnisse auf der Insel eine physikalische Erklärung gibt, ist noch lange nicht sicher, dass wir – oder andere von mir aus – sie benennen können.«
»Ja, aber…«, begann Sigbrit Holland, doch der Fischer Ambrosius war noch nicht fertig.
»Wenn die Sprüche uns einen Wink geben können, was dort vor sich geht, können wir vielleicht einen Weg finden, dieses Phänomen zu umgehen, auch wenn wir es nicht ganz verstehen. «
»Dann hältst du die Insel wohl für ein zweites rätselhaftes Bermudadreieck? «
»Rätselhaft oder nicht, aber etwas in der Richtung könnte man sich doch vorstellen?«
»Oh, hör auf«, sagte Sigbrit Holland schroff. »Als Nächstes erzählst du uns, dass Odin doch Jesus Christus oder der Herrgott selbst ist !«
»Die moderne Zivilisation akzeptiert nur das, was sie messen, wiegen oder in Worte fassen kann«, warf Brynhild Sigurdskaer sanft ein. »Es ist doch so bequem, alles andere zu ignorieren, alle Kräfte, Sinne und Ereignisse, die zu fassen unsere Gedanken zu klein sind.« Die durchsichtige Frau lachte leise.
Sigbrit Holland biss sich unsicher auf die Lippe.
»Vielleicht habt ihr Recht«, räumte sie widerwillig ein. »Aber ihr könnt euch auch irren. Und egal, um was es sich handelt, es hilft uns nicht, denn bis jetzt habt ihr nicht mehr gefunden als ich.« Sie seufzte. »Wir wissen nicht mehr, als dass es hinter einer Reihe Klippen eine kleine unzugängliche namenlose Insel mit Dörfern, einem See, tangbedeckten Häusern, Wiesen, ein paar kleinen Pferden und einigen anderen Tieren sowie mehreren Bäumen gibt.«
»Es gibt wahrlich auch den Schmied, der alles weiß, was man von Pferden wissen muss«, fügte Odin hinzu, glücklich, dass das Gespräch sich endlich um etwas drehte, das er kannte. »Und die alte Rikke-Marie und Mutter Marie und Ida-Anna und Ingolf und all die anderen Kinder und…«
»Und Odins Pferd mit einem gebrochenen Bein«, lachte der Fischer Ambrosius.
Brynhild Sigurdskaer stand auf.
»Wo die Meerjungfrauen sich treffen, fürchten sich die Seeleute hinzukommen«, sagte sie und wirbelte herum und verließ das Steuerhaus mit einem Buch in jeder Hand.
Hannelil Adelstensfostre war eine Enttäuschung. Sie hatte nie von Kapitän Hans Adelstensfostre gehört und wusste auch nicht, dass es zwei Linien der Adelstensfostre-Familie gab. Sie selbst stammte von Hans Henrik II. ab. Und – was sehr viel wichtiger für Sigbrit Holland und den Fischer Ambrosius war – Hannelil Adelstensfostre hatte weder Dokumente noch Bücher
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