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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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haben und die alle Herrn Odin Odins Freigabe fordern.«
    »Dann war es vielleicht doch keine so gute Idee, den kleinen alten Mann verschwinden zu lassen«, sagte der Staatsminister verdrießlich.

    »Es wurde doch ein wenig ruhiger …«, begann der Justizminister und rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her.
    »Ja, zum Teufel mit der Ruhe!«, rief der Staatsminister und schnipste noch eine Schachfigur um. »Es hat nicht lange gedauert, bis sie den Reichstag anstelle von Firö belagert haben. Und jetzt das.« Er machte eine ausladende Bewegung mit den Händen. »Nein, das geht zu weit! Damit finde ich mich nicht ab!« Er erhob sich wieder und ging ungeduldig ein paar Mal auf und ab. »In diesen modernen Zeiten eine Zeitbombe in Südnorden hochgehen zu lassen.« Er schüttelte wütend den Kopf. Dann schien ihn die Wut plötzlich zu verlassen, und er ließ sich müde in den Stuhl fallen. »Wo sind wir nur hingekommen?«
    Sie saßen einen Augenblick stumm da, dann zeigte der Staatsminister auf die umgekippten Schachfiguren.
    »Wir können eigentlich genauso gut spielen und die Spekulationen der Polizei überlassen«, sagte er. »Ich vermute, Sie haben dafür gesorgt, dass diese Angelegenheit höchste Priorität genießt?«
    »Natürlich«, beeilte sich der Justizminister zu antworten.
    »Gut.« Der Staatsminister beugte sich vor und setzte die weißen Figuren auf das Brett.
    Sie hatten noch nicht lange gespielt, als es an der Tür klopfte und die Tochter des Staatsministers in die Bibliothek trat. Da war ein wichtiger Anruf für den Justizminister: der Polizeipräsident. Der Justizminister war nur wenige Minuten weg, doch als er zurückkam, war alle Farbe aus seinem Gesicht gewichen.
    »Die Wiederauferstandenen Christen«, sagte er mit rauer, erschütterter Stimme und setzte sich langsam. »Sie übernehmen die Verantwortung. Die Polizei hat den Anruf vor zwanzig Minuten erhalten.« Er schloss einen Moment die Augen, als versuchte er sich auszumalen, was jetzt kommen würde. »Das zerschlägt meine Theorie.«
    »Kann der Anruf fingiert sein?«
    »Der Polizeipräsident hat gesagt, dass er ihn für echt hält, aber sie stellen natürlich Nachforschungen an.« Er hustete schwer. »Man kann natürlich auch sagen, dass jemand, der bereit ist, die Verantwortung für so etwas zu übernehmen, auch bereit ist, es zu tun.«

    »Dann glauben Sie also, dass dies nur der Anfang war?«
    »Das wollen wir nicht hoffen. Aber dieser Anruf ändert alles.«
    »Ja, nur zum Schlechten oder zum Besseren?«
     
    Der unerschrockene Lennart Torstensson hatte nicht die Absicht gehabt, jemandem zu schaden. Doch war es so, dass er nicht wusste, wie er seine Botschaft sonst hätte deutlich machen sollen.
    Er hatte unzählige anonyme Briefe sowohl an die südnordische Königin als auch an die südnordische Regierung geschrieben. Aber vergeblich. Herr Odin blieb verschwunden. Deshalb hatte er sich einen neuen Plan ausdenken müssen, um in Südnorden Gehör zu finden, und eine Bombe war die naheliegendste und natürliche Lösung. Aber nein, der unerschrockene Lennart Torstensson hatte wirklich nicht die Absicht gehabt, jemanden zu töten, und er war – um die Wahrheit zu sagen – nicht wenig erschrocken über das, was passiert war. Trotzdem war es auch befreiend, als ob eine unsichtbare Barriere in ihm zerbrochen wäre, als könne er jetzt alles tun, was notwendig war, um sein Ziel zu erreichen.
    Waren nicht alle legendären Männer in der Geschichte genötigt gewesen, legendäre Beschlüsse zu fassen? Legendäre Beschlüsse, die zu legendären Handlungen wurden, die legendäre Konsequenzen hatten? Und waren sie nicht gewillt gewesen, den Preis zu zahlen, egal welchen, um ihr Ziel zu erreichen? Ja, das war genau das, was die Legendären von den Großen unterschied und noch mehr von den Mittelmäßigen, diese Bereitwilligkeit, den Preis zu zahlen, das Risiko einzugehen und durch das Feuer zu gehen. Man denke nur an Gustav Vasa, Hermod Skjalm, Napoleon, Cäsar – ja, man brauchte nur das Alte Testament zu lesen: Selbst der Herrgott hatte seine Geschöpfe – von seinem Sohn ganz zu schweigen – zahlen lassen. Und auch er, der nahezu legendäre Lennart Torstensson, war bereit, den Preis zu zahlen, egal welchen.
    Es war Morgen, und der nahezu legendäre Lennart Torstensson stand langsam auf. In seinem Traum hatten die Vögel von drei Göttern gesungen, die an einem Strand entlanggingen. An dem
Strand standen zwei Bäume, eine Esche und eine Ulme, und

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