Odins Insel
sich
zusammenkrümmen musste, aber er winkte Sigbrit Holland weg, als sie ihm helfen wollte. »Ja, damals war es, als es schief lief«, sagte er rau, als er wieder Luft bekam. »Sie waren wohl um die fünfzehn, sechzehn Jahre alt. Ja, vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre. Zuerst ging es ganz gut. Ja, am Anfang ging es gut. Sie waren zusammen verliebt. Harald pflückte Beeren für Asta, und Oluf pflückte Beeren für Asta. Oluf schrieb kleine Gedichte an Asta, und Harald schrieb kleine Gedichte an Asta. Zusammen machten sie Besorgungen für sie, und zusammen trugen sie ihre Einkaufstasche, wenn sie für sie zu schwer war. Ja, alles, was sie für Asta tun konnten, taten sie gemeinsam. Ja, was immer sie für sie tun konnten, taten sie gemeinsam. Nein, das waren glückliche Tage damals, und es war nicht vorauszusehen, wie es enden würde. Nein, das war es nicht.« Der Kaufmann schüttelte den Kopf. »Das Ende der Glückseligkeit war nicht vorauszusehen. Sehen Sie, genau wie heute mussten die jungen Menschen damals in die großen Städte reisen, um zu studieren. Ja, sie mussten in die Stadt, um zu studieren. Und weg fuhren sie, Harald und Oluf, kurz nachdem sie siebzehn geworden waren. Ja, kurz nach ihrem siebzehnten Geburtstag reisten sie. Sie sollten viele Jahre in der Stadt studieren, Harald und Oluf, denn sie waren kluge Jungen, wissen Sie. Ja, klug waren sie, und alle glaubten, dass die Geschichte mit Asta vergessen sein würde, sowie sie in die Stadt kämen. Aber da irrten sich alle, alle, die glaubten, dass die Geschichte mit Asta vergessen sein würde. Denn so kam es nicht. Nein, so kam es nicht.«
Die Türklingel bimmelte wieder, und ein neuer Kunde trat in den Laden. Es dauerte etwas, bevor der Kunde bedient war und der Kaufmann sich wieder Sigbrit Holland zuwenden konnte, aber diesmal dachte sie nicht daran zu gehen.
»Sehen Sie, anfangs kamen sie nur in den Sommerferien nach Hause«, fuhr der Kaufmann fort. »Es war eine teure Reise, deshalb kamen sie nur jeden Sommer nach Hause, Oluf und Harald. Ja, Harald und Oluf reisten immer zusammen, und wenn das Boot anlegte, gingen die beiden gleich nach Hause, setzten ihre Taschen ab, begrüßten ihre Eltern und beeilten sich, zu Asta zu kommen. Ja, so schnell sie konnten, waren sie drüben bei Asta.
Treue Jungen, das waren sie. Ja, etwas anderes konnte man nicht sagen, als dass sie sehr treu waren.« Der Kaufmann sah auf die Uhr, die an der Wand hing. Es war langsam Zeit, den Laden zu schließen, und er musste noch aufräumen und die Kasse machen. »Nun, langer Rede kurzer Sinn«, fuhr er schnell fort. »Ja, langer Rede kurzer Sinn, die Jungen begannen jetzt öfter im Jahr nach Hause zu kommen, und sie begannen jeder für sich zu kommen, der eine ohne den anderen.« In der Eile vergaß der Kaufmann etwas. »Zuerst kam Oluf im Oktober eine Woche allein nach Hause, dann kam Harald Weihnachten alleine, und dann kam Oluf Ostern alleine, und dann kam Harald Pfingsten. Und so ging es weiter, bis fast immer einer von ihnen zu Hause war. Ihre Eltern waren entsetzt, was war mit der Ausbildung, aber sie konnten nichts tun. Und die arme Asta, die es in den ersten Jahren genossen hatte, von beiden umworben zu werden und zwei Tüten Beeren und zwei Blumensträuße zu bekommen, wenn die anderen Mädchen nur einen bekamen, wusste jetzt nicht mehr ein noch aus. Denn sehen Sie, selbst die arme Asta konnte den einen nicht von dem anderen unterscheiden. Das heißt, mit der Ausnahme, wenn sie zusammen waren, denn da hatten sie diese Regel, dass Harald nie an Olufs rechter Seite ging und Oluf nie an Haralds linker. Aber der eine ohne den anderen; nein, nicht einmal Asta konnte einen Unterschied sehen. So war die arme Asta verliebt und wusste nicht, in wen.« Der Kaufmann hustete und räusperte sich und musste ein Glas Wasser holen, bevor er fortfahren konnte. »Vielleicht war sie in beide verliebt, wer weiß? Ja, wer kann wissen, ob sie in Wirklichkeit nicht in beide verliebt war? Und wäre es nach ihnen gegangen, wer weiß, vielleicht hätten sie eine Lösung gefunden. Ja, die drei hätten vielleicht eine Lösung gefunden, wie sie mit der Situation hätten leben können. Aber es ging ja nicht nach ihnen. Nein, es ging nicht nach ihnen, es ging nach Sitte und Anstand. Und Sitte und Anstand verlangten damals, wie sie das heute wohl noch immer tun, dass ein Mann nur eine Frau haben darf und dass eine Frau nur einen Mann haben darf.« Einen Augenblick starrte der Kaufmann nachdenklich
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