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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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noch immer am Ende der Brücke und schwang sein goldenes Schwert in der Luft, als wollte er ihnen damit zu verstehen geben, dass sie nicht wagen sollten, noch einmal zu kommen. Sigbrit Holland spürte einen Angstknoten im Magen. Sie musste zugeben, dass diese drohende Gestalt nicht besonders anheimelnd war.
    »Ein Mann, der heute nichts Böses tut, tut auch morgen nichts Böses«, bemerkte Odin.
    Sigbrit Holland nickte langsam und wandte sich dem Fischer zu.
    »Wir bleiben!«, rief sie plötzlich überzeugt.
    »Dann bleiben wir, holde Frau.« Der Fischer Ambrosius setzte sich, reinigte, stopfte und zündete seine Pfeife an und machte es sich so richtig gemütlich. »Während wir darauf warten, dass seine Laune besser wird, können wir ja mit etwas anderem weitermachen. « Er nahm ein Buch aus dem Regal und griff nach einem Block.
    Sie warteten einige Stunden im Steuerhaus, um zu sehen, ob etwas passieren würde. Aber es passierte nichts anderes, als dass Harald Adelstensfostre sich irgendwann ein wenig den Hügel hinauf zurückzog und auf einen Stein setzte. Offenbar akzeptierte er, dass das Boot bei der Brücke lag. Aber sobald sie auch nur die Tür des Steuerhauses öffneten, erhob er sich und schwang das Schwert über seinem Kopf. Erst gegen Abend, als die Dämmerung die Sicht zwischen der grau-grünen Insel und dem grün-orangenen Fischerboot verhüllte, verließ der Eremit seinen Beobachtungsposten nach einem letzten drohenden Schwingen des Schwertes.
    Sigbrit Holland betrachtete die Silhouette des Eremiten, die langsam in der zunehmenden Dunkelheit verschwand.
    »Vielleicht sollten wir versuchen, ihm zu folgen«, schlug sie vor.
    »Nein«, sagte der Fischer Ambrosius. »Es ist noch zu früh. Wir sind ganz offensichtlich nicht willkommen, und wenn wir ihn provozieren, riskieren wir, dass er uns ganz verjagt. Wie die Dinge stehen, können wir zumindest hier bei der Badebrücke liegen bleiben. Und wer weiß, vielleicht hat er sich ja in ein paar
Tagen an uns gewöhnt.«

     
    Am Nachmittag holten sie wieder die Bücher hervor, aber das grün-orangene Fischerboot schaukelte an seinem exponierten Ankerplatz so heftig, dass Sigbrit Holland sich zum ersten Mal seekrank fühlte. Sie ging auf Deck und atmete die kühle Abendluft ein. Wenige Minuten später schloss sich der Fischer Ambrosius ihr an. Der Wind flaute langsam ab, und der Himmel war ganz klar, doch ließen die grüne Farbe der Wellen und die Schärfe der Luft keinen Zweifel daran, dass der Herbst schon bald jede Spur des Sommers auslöschen würde.
    »Hoffen wir, dass unser Eremit nicht zu starrsinnig ist«, sagte der Fischer. »Die Herbststürme setzen bald ein, und bis dahin sollten wir besser wieder ein gutes Stück weiter südlich sein.«
    »Ja…«, murmelte Sigbrit Holland geistesabwesend, während sie sich darauf konzentrierte, ihren Magen mit und nicht gegen die Bewegungen des Bootes schaukeln zu lassen. »Es könnte die Schwerkraft sein«, sagte sie kurz darauf leise.
    »Die Schwerkraft?« Der Fischer Ambrosius sah sie fragend an.
    »Ich wusste, dass du das für verrückt halten würdest.« Sigbrit Holland konnte nicht verhindern, dass sie rot wurde.
    »Immer mit der Ruhe, holde Frau, das haben wir nicht gesagt. « Der Fischer legte seine Hand auf ihren Arm. »Das ist vielleicht eine Möglichkeit, aber du wirst sie uns erklären müssen.«
    »Selbst der Nähere dich -Spruch würde dann Sinn machen…«
    Sie lachte verlegen, war sich plötzlich der Nähe des Fischers bewusst. Sie trat einen halben Schritt zurück und versuchte ihre Gedanken zu sammeln. »In dem Buch, das ich gerade lese, steht, dass die Schwerkraft an verschiedenen Orten der Erdkugel unterschiedlich ist. Auf einem Berg ist sie zum Beispiel schwächer als in tief liegenden Regionen, und an den Polen ist sie schwächer als in der Nähe des Äquators.«
    »Nun ist die Insel ja weder ein Berg noch ein Pol«, protestierte der Fischer Ambrosius sanft.
    »Das weiß ich. Aber da die Kräfte, mit der sich Massen anziehen, und somit die Kräfte, die das Schwerefeld schaffen, von ihrem spezifischen Gewicht abhängen, könnte man sich vielleicht vorstellen, dass die Insel ein anderes spezifisches Gewicht
hat als das umliegende Meer und Land. Ich weiß nicht, ob es Sinn macht…«
    »Ja… nein. Das tut es wohl«, sagte der Fischer unsicher und kratzte sich im Nacken. »Die Schwerkraft«, murmelte er. »Ja, warum nicht?«
    »Und wenn die Schwerkraft dafür verantwortlich ist, dass die Flugzeuge

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