Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
Vom Netzwerk:
und Nebel
Schädel zur Wölbung des Himmels
Sieh nur: welch Schönheit von Hässlichkeit kam
     
    Hoch über dem Land Midgard
tief im Herzen des Nichts
ein Heim für Freude und Friede die Götter bauten
und sprachen: »Asgard ist dein Name«
     
    Erschaffen war die Welt, die Götter konnten ruhn

    E s war der letzte Monat des Frühjahrs, die Tage waren lang und öfter milde als rau, als die südnordische Regierung – durch ihre Botschafter in den einschlägigen Hauptstädten – den Vorsitzenden der Westeuropäischen Bastion sowie den Generalsekretär der Weltgesellschaft ersuchte, die Drude-Estrid-Insel in Übereinstimmung mit der Karte König Enevolds IV. von 1615 dem südnordischen Königinnentum zuzurechnen.
    Unter normalen Umständen hätten sich daraus keine Schwierigkeiten ergeben, da es sich im Prinzip nur um eine Formalität handelte. Da sich die Umstände in diesem Fall jedoch als nicht ganz normal erwiesen – wie Umstände das meistens tun, wenn es um territoriale Angelegenheiten geht –, kam es schnell zu Komplikationen.
    Der Generalsekretär der Weltgesellschaften übergab die Angelegenheit einer Kommission, die ein Komitee mit Namen Komitee zu Fragen bezüglich der Drude-Estrid-Insel einsetzte, das nach einigen Wochen zu dem Schluss kam, die Arbeit besser zu vertagen, bis die Westeuropäische Bastion die Sache verabschiedet und eine Einschätzung abgegeben hatte. Inzwischen hatte der Vorsitzende der Westeuropäischen Bastion die Sache dem Direktorat für juristische Angelegenheiten übergeben, das sie wiederum an die Abteilung für territoriale Angelegenheiten weitergereicht hatte. Hier würde sie normalerweise in Frieden ruhen, bis der eine oder andere sich durch die Stapel gearbeitet hatte, woraufhin – nach einer Proformaanhörung vor einer Unterarbeitsgruppe der Mitgliedsländer der Westeuropäischen Bastion – routinemäßig per Computer an allen notwendigen Stellen
eingefügt werden würde, dass die Drude-Estrid-Insel offiziell zum südnordischen Territorium gehörte.
    Doch in der Abteilung für territoriale Angelegenheiten gab es einen sehr großen, sehr blonden jungen nordnordischen Mann mit Namen Lennart Torstensson. Lennart Torstensson war ein pflichteifriger und sehr ehrgeiziger Jurist, der vor zwei Monaten eingestellt worden war und noch keine Möglichkeit gehabt hatte, seine besonderen und großartigen Talente seinem Chef, Herrn Hölzern, zu beweisen. Der pflichteifrige Lennart Torstensson war deshalb unvorstellbar froh, als die Akte Drude-Estrid-Insel an einem späten Freitagnachmittag auf seinem ganz neuen und nahezu leeren Schreibtisch landete. Obwohl es bereits Viertel vor fünf war und die meisten seiner Kollegen ihre Taschen packten, spitzte der pflichteifrige Lennart Torstensson seinen Bleistift und setzte sich zurecht, um die Akte zu lesen, in deren oberster rechter Ecke in Herrn Hölzerns sechskantiger Handschrift einige Worte geschrieben standen: Bitte Südnorden zurechnen wie im Brief erläutert.
    Als der pflichteifrige Lennart Torstensson den Brief der südnordischen Regierung gelesen und einen Moment die beigefügte Karte studiert hatte, dachte er lange nach. Dann erhob er sich von seinem Stuhl, nahm die Akte und ging zum Computerraum auf der anderen Seite des Gangs und machte drei Kopien von den Dokumenten der Akte; eine für seine persönliche Akte, eine für seine Reservemappe, falls die Dokumente zufällig verloren gehen sollten und eine, in der er unterstreichen und Anmerkungen machen konnte, um das Original nicht zu beschmutzen, das er vorsichtig in eine durchsichtige Plastikhülle steckte. Dann setzte sich der pflichteifrige Lennart Torstensson wieder an seinen Schreibtisch, beugte sich über die Dokumente und las sie gründlich noch dreimal durch, worauf er den Fall sorgfältig in seinem Notizbuch zusammenfasste. Nach gut einer Stunde meinte er, alle Implikationen sowie das, was diesbezüglich unternommen werden musste, verstanden zu haben, was zu seinem großen Verdruss verhältnismäßig einfach war und nicht viel Anlass bot, Talent oder Fleiß zu zeigen. Eins konnte der pflichteifrige Lennart Torstensson jedoch tun: Er konnte die Sache ein wenig ausweiten und dem Memo, das er für seinen Chef schreiben wollte, um
ihn zu informieren, dass die Angelegenheit gebührend behandelt worden war, einige spezifische Fakten und Details hinzufügen.
    Es war bereits nach sechs – aber was bedeutet Zeit für einen Mann, der zu arbeiten hat –, als der pflichteifrige Lennart

Weitere Kostenlose Bücher