Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache
Eile. Wenn man schon mal den Weg zum Markt zurücklegt, hat man manches zu erledigen. Und wie Ihr seht, bin ich nicht mehr der Schnellste.“
„Was ist Euch passiert?“
„Ein Schwerthieb, im Sattel empfangen. Unter Herrn Audulf, in der Bretagne.“
„Ein kurzer, aber ruhmreicher Waffengang.“
„Das kann man wohl sagen. Doch leider der letzte, in dem ich Heldenschweiß vergießen durfte. Jetzt vergieße ich nur noch Bauernschweiß. Seid Ihr zufrieden mit dem Pferd?“
„Ein prächtiges Tier.“
„So reut es mich nicht, es gleich verkauft zu haben. Mein Bruder, dem es vorher gehörte, wird sich freuen, wenn er nach seiner Rückkehr erfährt, dass ein großer Herr wie Ihr es nun reitet. Erlaubt jetzt, dass ich Euch diese Männer vorstelle …“
Er rief einige der Graubärte heran, die sich respektvoll verneigten. Es waren der Gutsverwalter, der Priester des Dorfes und ein paar Bauern, die in der Nachbarschaft ihre Höfe hatten.
„Wir sind Herrn Farold und den anderen begegnet“, sagte ich.
„Ach, wirklich?“, entgegnete Hauk.
„Auch Ihr müsst sie getroffen haben, als Ihr Euch nach Hause begabt.“
„Nein, das habe ich nicht. Ich benutze meine eigenen Wege. Auf der Straße ist zuviel Gesindel unterwegs und überall lauern die Schnapphähne.“
„Führt einer Eurer Wege vielleicht am Grab des Eremiten vorbei?“
„Woher wisst Ihr von diesem Grab?“, fragte Hauk, die kleinen, schlauen Augen argwöhnisch zusammen kneifend.
„Herr Farold sagte uns, dass Euer Bruder dort beten wollte, bevor er mit den anderen zum Rhein zog. Leider verfehlten sie sich.“
„Sie verfehlten sich?“
„Herr Mommo kam nicht.“
„Seltsam. Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen.“
„Ihr selbst habt ihn heute nicht mehr gesehen?“
„Wie sollte ich! Bin ja viel später aufgebrochen.“
„Habt Ihr denselben Weg benutzt?“
„Es gibt viele Wege, wenn man sich auskennt.“
„Wusstet Ihr, dass Euer Bruder noch zu dem Grab reiten wollte?“
„Warum fragt Ihr?“ Wieder sah er mich misstrauisch an. „Ja, ich wusste es … seit heute Morgen. Gestern Abend, beim Abschiedsgelage, hat er uns nichts davon gesagt. Wann ist es Mommo eigentlich eingefallen, noch unseren Heiligen zu besuchen?“, wandte er sich an Frau Begga, die sich geschäftig gab, doch in der Nähe hielt und dem Gespräch zu folgen versuchte.
„Warum langweilst du unsere Gäste mit dieser Geschichte?“, sagte sie herantretend in ihrem romanisch gefärbten Diutisk. „Ganz plötzlich fiel es ihm ein, reichlich spät. Eine Aufregung war das heute Nacht! Auf einmal erhob er sich vom Lager und sagte: ‚Es ist besser, wenn ich vorher noch zu Ponz reite. Es geht in den Kampf, da kann man nie wissen, wozu der Schutz eines Heiligen gut ist.‘ Natürlich war alles vorbereitet … Helm, Brünne, Waffen, Gepäck. Wir nahmen Abschied … ach, es war schrecklich. Ich tat kein Auge zu. Bei Sonnenaufgang musste ich ja auch am Tor sein, um den anderen zu sagen, wo sie ihn treffen würden.“
„Ja, und dann haben sie sich verfehlt“, sagte Hauk. „Das erfuhr ich eben von diesen Herren.“
„Ist das wahr?“ Frau Begga griff sich ans Herz. „Gott im Himmel, was mag da geschehen sein?“
„Beruhigt Euch“, sagte Odo. „Die Hauptsache ist doch, dass sie ihr Ziel nicht verfehlen, es ist ja nicht weit. Beim König werden sich alle wiedertreffen.“
„Wenn Ihr nur Recht hättet …“
„Euer Gemahl hat gewiss ein gutes Pferd, das ihn dorthin bringt“, bemerkte ich.
„Oh ja“, erwiderte Frau Begga. „Er hat seinen Impetus, einen prachtvollen Grauschimmel.“
„Verzeih, Begga, aber jetzt irrst du dich“, warf Hauk rasch ein.
„Ich irre mich?“
„Vielleicht weißt du auch nicht, dass Mommo mir Impetus gestern gebracht hat, weil er dringend einen Geldbetrag brauchte. Und dass er mir freie Hand ließ, das Pferd zu verkaufen. Ich tat es gleich, denn ich musste das Geld wieder einnehmen. Zufällig ist Herr Odo der neue Besitzer! Wir lernten uns heute auf dem Pferdemarkt kennen.“
Hauk brachte diese Erklärung nicht ohne Mühe heraus. Unter dem Blick seiner Schwägerin schien er zu schrumpfen.
„Ah, so ist das“, murmelte sie. „Nein, das wusste ich nicht.“
Sie musste sich anstrengen, um ihre Verstimmung zu verbergen. Odo bemühte sich, sie wieder aufzuheitern. Er versuchte, sie über den Verlust des edlen Pferdes hinweg zu trösten, indem er versprach, ihm ein guter Herr zu sein. Beredt rühmte er die Reitkünste ihres Gemahls,
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