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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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nützliche Werke, heilte Wunden und Krankheiten, deren Ursache schwer zu erkennen ist, weil sie tief im Innern des Körpers verborgen liegt. Es gab dann noch eine alte Frau, die oft zu uns auf den Herrenhof kam und seltene Kräuter brachte. Auch von ihr habe ich viel gelernt.“
    „Darunter Zaubersprüche? Beschwörungsformeln?“
    „Ja. Ein Spruch verstärkt den Erfolg des helfenden Mittels, denn er wirkt auf den Geist und gibt ihm den Glauben ein, das Mittel sei nützlich. Alles zusammen hat dann heilende oder lindernde Wirkung. Meine Großmutter und die alte Frau haben vielen Menschen geholfen. Und auch ich, die ich von ihnen gelernt und mir alles gemerkt habe, konnte viel Gutes und Nützliches tun. Meinen Ehemann Bardo heilte ich von einem Fieber, an dem er ohne meine Hilfe gestorben wäre. Und meinem Schwager Garibald behandelte ich die Wunden, die eine Bärin ihm geschlagen hatte. Keiner von ihnen nahm daran Anstoß, daß ich Kräuter und andere Beigaben kochte und daß ich Sprüche dazu hersagte, mit denen ich das Übel beschwor, damit es den Körper verließ.“
    „Ihr spracht bisher nur von helfenden Mitteln. Kennt Ihr auch solche, die Schaden anrichten können?“
    „Ich kenne einige, auch von meiner Großmutter, die sie aber nie anwandte.“
    „Und Ihr? Habt Ihr sie angewandt?“
    „Ein paarmal versuchte ich es, in verzweifelter Lage. Vergebens. Die Mittel waren entweder zu schwach oder ganz unwirksam. Vielleicht reichte auch meine Kraft nicht aus, um sie zur Wirkung zu bringen.“
    „Und im Falle des Allard und des Hug?“
    „Ich glaube nicht, daß es meine Beschwörungen waren, die ihnen den Tod brachten. Im ersteren Fall versuchte ich nur, mit einem Zauberspruch Irmos Leben zu retten. Im zweiten wünschte ich zwar seinem Mörder den Tod, doch die Beschwörung mißlang. Ich beachtete nicht alle Regeln und wurde auch unterbrochen.“
    „Aber Hug wurde umgebracht!“ rief Garibald dazwischen. „Ob mit Beschwörung oder nicht – sie hat es dem Thankmar eingegeben!“
    „War es so?“ fragte Odo.
    „Er hatte auch ohne mein Zutun ein starkes Verlangen danach“, erwiderte die Witwe. „Er tat es aus Liebe zu meinem Bruder.“
    „Und aus Liebe zu Euch.“
    „Vielleicht.“
    „Ihr habt Euch bereit erklärt, ihn zu heiraten?“
    „Ja.“
    „War es nicht etwa Eure Bedingung, bevor Ihr das tatet …“
    „Das ist nicht wahr!“ rief der Sohn des Grafen. „Sie hat es doch gerade gesagt! Ich wollte es selbst!“
    „Wer soll ihm das glauben!“ höhnte Rothari.
    „Ja, es war meine Bedingung“, sagte die Frau Luitgard ruhig. „Der Mörder Irmos durfte nicht leben. So lange hatte ich nicht das Recht, mir das Glück eines neuen Brautbetts zu gönnen.“
    Sie saß aufrecht in ihrem Stuhl, die Hände vor sich im Schoß gefaltet, und obwohl sie nicht laut sprach, mußte wohl ihre klare, glockenhelle Stimme den letzten Winkel der Dingstätte erreichen. Die Versammlung lauschte still und gespannt.
    „So frage ich nochmals, Frau Luitgard. Habt Ihr Euch dem jungen Herrn Thankmar nur dafür versprochen, daß er die Tat vollbrachte, die Ihr selber nicht ausführen konntet?“
    „Nein, nicht nur dafür. Ich hoffte und hoffe noch immer, er wird wiedergutmachen, was mir ein anderer an Schaden zugefügt hat.“
    „Ein anderer? Wen meint Ihr?“
    „Einer, den ich liebte und ehrte, bevor er mich verriet und man mich in das Rabennest brachte.“
    „Ich muß noch einmal entschieden Einspruch erheben!“ Der Graf Rothari sprang abermals auf. „Was bezweckt Ihr mit dieser umständlichen Befragung? Sie hat uns doch schon alles gestanden! Wir wissen nun von ihr selbst, daß sie meinen verwirrten und verblendeten Sohn zu der Tat verleitete! Wozu müssen wir noch mehr von ihr hören? Daß sie ihn sich zum Gemahl wünscht? Das ist so vermessen wie verständlich. Welche Jungfrau und welche Witwe täte das nicht! Doch das gehört nicht vor diese Versammlung. Was ihren Anteil an der Tat betrifft, so empfehle ich nochmals Bußen und Teufelsaustreibung. Kommt aber nun endlich zum Ende! Bedenkt, daß die Sonne schon hoch am Himmel steht und daß noch zwanzig Klägerparteien dort warten!“
    „Wir sehen selbst, wo die Sonne steht“, entgegnete Odo. „Fahrt fort, edle Frau! Wer fügte Euch Schaden zu, bevor man Euch in das Rabennest brachte?“
    „Einer, der meine Unerfahrenheit ausnutzte.“
    „Heißt das: einer, der Euch verführte?“
    „Ja.“
    „Ist er hier, und wollt Ihr ihn nennen?“
    Die Witwe

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