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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Gefährten!“
    Erst jetzt bemerkte ich hier den Comes. Zweifellos hatte er uns gleich wiedererkannt und sich bei unserem forschen Auftritt, der ihm nichts Gutes verhieß, in eine rückwärtige Stellung begeben. Nun trat er mit schiefem Grinsen hervor, steifbeinig, krumm, wie damals auf seinen Elfenbeinstock gestützt. Aus der Nähe glich dieser alte Wüstling einem morschen Pfahl, den der nächste Sturm umwerfen mußte. Noch immer schwärzte und ölte er aber das Haar und den Bart, und wie damals klirrten und rasselten an ihm die zahlreichen Ketten und Reife.
    „Heil und Willkommen, meine Herren!“ knarrte er. „Ein überraschendes Wiedersehen! Alte Bekannte! Ich konnte mich aber nicht gleich erinnern. Doch dann fiel es mir ein … Herr Odo von Reims! Kühner Held und wackerer Zecher! Auch der Herr Lupus ist wieder dabei, ein bedeutender Mann, den ich schätze. Diese Herren verstehen es, sich Respekt zu verschaffen … haben uns einen tüchtigen Schreck eingejagt. Voller Angriff mit Witz und Feuer! So etwas kann jede Festung erschüttern …“
    „Um so mehr, wenn die Mauern schon brüchig sind!“ erwiderte Odo und lachte schallend.
    Der Comes entschloß sich mitzulachen und ließ ein heiseres Krächzen hören.
    Nun hielten es auch die anderen für das beste, in diese Heiterkeit einzustimmen. Grobe Worte war man gewöhnt, und daß man das Schwert zog, war ebenso fast ein alltäglicher Vorgang. Ein Mann im Rang eines Königsboten konnte sich wohl erlauben, ein paar kleinen Vasallen, Dorfoberhäuptern und Gutsbesitzern etwas Pfeffer in die Suppe zu streuen. Dies mochte sein üblicher Auftritt sein, die Sprache war die des Königs selbst, der sich vor seinen Untertanen nicht zurückhalten mußte. Sie wußten ja, daß sie Gauner waren, nur hatte es sie überrascht, das so deutlich gesagt zu bekommen. Doch da es der Comes nicht übelnahm, taten auch sie am besten so, als habe der hohe Gast sich nur einen Scherz erlaubt. Es erhob sich also ein großes Gelächter, und diejenigen, die vorher die Schwerter gezückt hatten, waren jetzt die Vergnügtesten. Als sie uns von Herrn Magnulf einzeln vorgestellt wurden, gab es keinen, der sich nicht tief verneigte und freundlich grinste.
    Auch Odos Zorn war erst einmal verraucht. Er leerte den zweiten Becher, der ihm beflissen dargereicht wurde, und raunte mir zu:
    „Das genügt für den Anfang, Vater. Meinst du nicht auch? Sonst machen wir diese Schufte noch mißtrauisch.“
    Das war natürlich längst geschehen, auch wenn die allgemeine Fröhlichkeit zunächst darüber hinwegtäuschte. Schon kurze Zeit später fanden die ersten Vorwände, sich zu verdrücken. Nach und nach leerte sich die Halle.
    Anfangs hatte der Comes vermutet, wir seien auch diesmal nur auf der Durchreise. Er hatte geglaubt davonzukommen, indem er uns ein Nachtquartier, ein üppiges Mahl und ein paar Vergnügungen bot. Vielleicht hatte er auch schon überlegt, welche Geschenke den ungünstigen Eindruck mildern konnten, den seine Prozeßführung auf uns gemacht hatte. Es ist betrüblich, doch leider Tatsache, daß viele Amtspersonen sich ihren Gerechtigkeitssinn und Pflichteifer auf diese Art abkaufen lassen. Als der Comes nun aber hörte, daß wir mit einem Mandat für seine Grafschaft kamen und uns mindestens sechs Wochen lang aufhalten würden, begriff er sofort, daß die Sache ernst war. Sein munterer Redefluß stockte, und man sah ihm an, daß er hastig bedachte, was jetzt zu tun sei.
    Nicht anders erging es seinem Gefolge. Die Nachricht sprach sich sofort herum – mit der schon berichteten Wirkung. Es gab kaum einen unter den edlen Herren, den jetzt nicht ein dringendes Geschäft rief. Man konnte erraten, welcher Art dieses war.
    Der Vicarius {7} , dessen Gemahlin angeblich in den Wehen lag, würde vielleicht zu einer Brücke eilen, um dort den Posten aufzuheben, der ihm ein unerlaubtes pontaticum {8} eintrieb. Ein von plötzlichem Bauchgrimmen geplagter Steuereinnehmer würde rasch ein paar Zelte und Buden abreißen und einen Markt verschwinden lassen, dessen Zoll er allein einstrich. Der Gutsherr, der sich um zwei entlaufene Unfreie sorgte, würde möglicherweise zum Spaten greifen und die Truhe vergraben, in der sich die von seinen Hufebauern erpreßten Geschenke befanden.
    In kurzen Abständen hörten wir draußen die Herren davongaloppieren, und bald waren wir mit dem Comes und einigen wenigen seiner Vasallen allein.
    Aber auch wir mußten unsere Maßnahmen treffen. Die offensichtliche

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