Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
Kruzifix, das neben einer geschlossenen Tür hing, war alles, was daran erinnerte, daß wir uns im Haus eines Bischofs befanden.
Es war diese Tür, hinter der wir Stimmen vernahmen. Ein heftiger Wortwechsel war im Gange. Ein Mann und eine Frau – wir ahnten gleich, um wen es sich handelte – schrien gegeneinander an, so daß die verzerrten Stimmen sich mischten und, da auch die Tür ihre Reden dämpfte, kaum etwas zu verstehen war. Wir hörten nur einzelne Worte und Rufe wie „Dieb!“ – „Hure!“ – „Laß los, du Verbrecher!“ – „Verrecken sollst du!“ Die Begleitmusik war ein Rumoren und Poltern.
Odo und ich tauschten einen Blick und schritten rasch auf die Tür zu. Mein Freund stieß sie auf, und wir blickten auf eine groteske Szene. Griffo, der Koch, hatte die Romilda am Hals gepackt und würgte sie. Kehlige Laute ausstoßend, preßte sie einen silbernen Handspiegel an sich, den sie offenbar nicht hergeben wollte. Die dritte Person im Raum war der Türhüter Teut, der den Koch von hinten umklammert hielt und von der Frau wegzerren wollte. Die drei nahmen uns zunächst nicht wahr. Würgend, schreiend, stöhnend, schiebend und stoßend bewegten sie sich als ein Knäuel hin und her. Endlich rief Odo:
„Genug!“
Erschrocken warfen sie die Köpfe herum und fuhren auseinander. Wir befanden uns zweifellos in dem Speisezimmer, wo Bischof Pappolus ermordet wurde. Ein wuchtiger Tisch beherrschte den Raum. Teppiche bedeckten Wände und Fußboden. Ein Schrank mit Geschirr und Hausrat stand offen, auch eine Truhe in der Ecke war aufgeklappt. Auf einem hohen, geschnitzten Stuhl lag ein zur Hälfte gefüllter Sack, aus dem wir edles Metall schimmern sahen. Unter dem Stuhl war ein dunkler Fleck auf dem Teppich, der unübersehbar an die Bluttat erinnerte.
„Hier befehlen von jetzt an die Vertreter des Königs!“ donnerte Odo, wobei er die Fäuste in die Seiten stemmte. „Und wer es wagt, zu lärmen, zu stehlen und Frauen zu würgen, wird auf der Stelle aufgeknüpft! Willst du der erste sein, Schurke?“ wandte er sich an den Koch. „Was treibst du? Warum greifst du sie an? Rede! Laß hören!“
„Sie … sie soll das hergeben … es gehört mir!“ stotterte Griffo.
„Herr!“
Die Romilda war mit zwei Schritten bei Odo und warf sich ihm an die Brust.
„Ich bitte Euch, schützt mich vor diesem Unhold! Er stiehlt, was ihm in die Hände fällt, und will sich davonmachen! Auch was mir der Bischof versprochen hat, will er …“
„Mir hat er's versprochen!“ schrie der Koch.
„Er lügt!“
„Die Wahrheit ist's! Beim heiligen Fia… Fiacrius …“
Der kraushaarige Kerl, der aus der Nähe abstoßend häßlich wirkte, gestikulierte aufgeregt.
„Schweig!“ sagte Odo. „Deine Bockslippe und dein Schweinsauge entlarven dich schon als Lügner, Kerl! Wozu sollte man einem wie dir einen Spiegel schenken? Ein Spiegel ist für die Schönen da, ganz besonders für solche wie diese. Behalte ihn nur, mein schönes Kind, und erfreue dich deines Anblicks, wie du auch uns damit erfreust!“
Und indem er diese schmeichelnden Worte sprach und etwas verschenkte, was ihm gar nicht gehörte, legte er der Romilda den Arm um die Schultern. Das schlaue Weibsstück, das schnell begriff, wo die Trauben wuchsen, schlug dankbar die Augen zu ihm auf. Leicht war zu erraten, wie es weitergehen würde.
Noch aber gab sich der Koch nicht geschlagen.
„Wer seid ihr denn?“ fragte er frech. „Kann ja … kann jeder behaupten … vom König. Ihr kommt hier 'rein …“
„Halt's Maul!“ entgegnete Odo. „Einem Schlingel wie dir sind wir keine Rechenschaft schuldig. Auf jeden Fall kommen wir gerade im richtigen Augenblick. Um zu verhindern, daß du die Erben bestiehlst. Warum sind der Schrank und die Truhe geöffnet? Und was ist das hier?“
Er nahm den Sack vom Stuhl und schüttete seinen Inhalt auf den Tisch. Zwei Goldpokale, silberne Teller und Schüsseln, ein Dolch mit eingelegten Steinen, eine Lampe, ein Becken aus Bronze und allerlei wertvolle Kleinigkeiten kamen zum Vorschein.
„Gehört alles mir!“ behauptete Griffo. „Geerbt hab ich's …“
„Das hier auch?“ fragte ich und nahm aus dem Haufen ein kleines goldenes Kreuz, in dessen Mitte ein Rubin eingearbeitet war.
„Alles! Auch das.“
„Und das kannst du beweisen?“
„Kann ich!“
„Angeblich hat er's ja schriftlich“, sagte Romilda mit einem abschätzigen Lächeln. „Er hat so ein Pergament … Wer weiß, was
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