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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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daß Sallustus vorübergehend die Pflichten des Dahingegangenen wahrnahm, auch die Aufsicht über sein Haus führte. Letzteres schien er aber nicht wichtig zu nehmen, denn obwohl wir uns schon mehrere Stunden hier aufhielten, waren wir ihm noch nicht begegnet.
    Ich stieg wieder hinab und fand, am Fuße der Treppe beginnend, gleich neben dem Speisezimmer einen vier bis fünf Fuß breiten Gang, der zu dem erwähnten Nebengebäude führte, wo sich die Küche befand. Er war vollgestopft mit allerlei Gerümpel, aber auch mit Heiligenbildern und weniger wertvollem Kirchengerät. Durch diesen Gang trug der Koch die Speisen auf, und ich verharrte einen Augenblick, um mir die Frage zu stellen, ob er hier wohl gelauert und, das Messer vielleicht schon in der Faust, auf den Aufbruch des Juden gewartet hatte. Ich fand Griffo dann in der Küche, ein Huhn rupfend, mit der Kette am Fußgelenk. Heiko hatte das andere Ende um den mittleren der drei hölzernen Pfeiler geschlungen, auf denen das Dachgebälk ruhte. Die Kette war lang genug, so daß der Koch die beiden Herde, den Tisch und die Wandbretter mit den Zutaten erreichen konnte. Es war noch ein Halbwüchsiger im Raum, der ihm zur Hand ging. Ich fragte nach Teut, und der Junge sagte, der Türsteher sei zum Flußhafen gegangen, um Fische zu holen. Griffo hob nur kurz bei meinem Eintritt den Kopf und warf mir schweigend einen düsteren Blick zu.
    Aus der Nähe war Glockengeläut zu vernehmen, und ich bemerkte erstaunt, daß schon die Stunde des abendlichen Gottesdienstes heran war. Zeit wurde es, nun endlich die Kirche aufzusuchen. Ich kehrte in die Halle zurück. Damit er mich nicht vermißte, wollte ich mich bei Odo abmelden. Vielleicht war es aber auch die Neugier, die meine Schritte nach der nur angelehnten Tür lenkte. Ich hörte nämlich von dort Gesang. Es war ein kleines freches Liedchen, von einer hübschen Frauenstimme gesungen.
    Vorsichtig spähte ich durch den Türspalt. Mitten im Zimmer sah ich Odo in einem Bottich hocken, von dem noch immer Wasserdampf aufstieg. Behaglich hatte er sich zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Die singende Sirene stand hinter ihm, und zwar in der sündigen Pracht ihres nackten Fleisches, so wie der Herr es selber geformt hatte, als es ihm eingefallen war, aus Adams Rippe das Weib zu machen. Was für ein Anblick! Odos Kopf lag an ihrer Brust. Währenddessen war die Dirne mit ihren flinken Fingern geschäftig. Sie strichen über seine Arme und Schultern, kraulten sein dichtes Vlies, schöpften Wasser und spritzten es über ihn. Brünstig seufzte er zu den süßen Tönen, die ihm ins Ohr geträllert wurden. Doch was geschah jetzt? Die Übermütige tauchte Odo ins Wasser, das heftig herausschwappte auf den Fußboden. Nun stieg sie sogar selber hinein. Wie sie aber dabei ein Bein hoch über den Rand des Bottichs schwang, ließ sie ihn – und auch mich – jenes Pförtchen sehen, das heilige Männer als den wahren Eingang zur Hölle bezeichnen. O Himmel! Und es war in der Nähe kein Dornenstrauch, in den ich mich, dem Beispiel Sankt Benedikts folgend, hineinwerfen konnte, um den Aufruhr unter meiner Kutte zu töten. Immerhin fand ich die Kraft, mich abzuwenden. Eilig, wenn auch ein wenig schwankenden Schrittes, trat ich ins Freie.
    Die Kirche war gleich nebenan, und sie empfing mich mit angenehmer Kühle. Wenige Gläubige waren zu einer Votivmesse gekommen, und ich kniete an ihrer Seite nieder. Ich gestehe allerdings, daß ich Mühe hatte, meine Sinne auf das Gebet zu richten. In diesem Augenblick plagten mich Zweifel, weil ich mich fragte, warum es wohl Gottes Wille sei, daß sich zur selben Stunde die einen grämlich um ihr Seelenheil sorgten, während die andern sich unbekümmert mit seiner Schöpfung vergnügten.
    Zum Glück fielen mir die Worte der Schrift ein: Groß sind die Werke des Herrn, und was er ordnet, ist löblich und herrlich.
    Also erhob ich meine Stimme und lobte ihn.

4
    I ch kniete in einem der Seitenschiffe vor dem Altar des heiligen Cyprian und beobachtete dabei den Priester Sallustus. Wir waren als einzige nach der Messe in der Kirche geblieben, einer langgestreckten, kahlen Basilika mit wuchtigen Pfeilern und weitgeschwungenen Mauerbögen. Sallustus stand vor dem Hauptaltar und leierte endlos, mit schon heiser werdender Stimme Psalmen herunter. Offenbar leistete er eine Buße ab, denn er machte dazu eifrig Kniebeugen gemäß der Vorschrift der Bußbücher. Von Zeit zu Zeit stieß er keuchenden Atems eine Zahl

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