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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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schon früher bewohnt hatte. Dort hielt sie sich allerdings nur des Nachts auf. Nimmt man die Gottesdienste in der Kirche aus, wo sie ihre gerühmte Frömmigkeit durch lautes und texttreues Beten und Singen unter Beweis stellte, gab es – jedenfalls in den ersten Tagen – kaum einen Augenblick und einen Winkel im Haus, in welchem man vor ihrer Gegenwart sicher war. Mit schallender Stimme jagte sie die Bediensteten, deren Zahl sich manchmal verdoppelte und verdreifachte, hin und her, herein und hinaus, treppauf und treppab. Unzählige Male liefen die Wasserträger zum Brunnen. Schrubbend rutschten die Mägde über den Mosaikfußboden der Halle. Maurer und Zimmerleute behoben Schäden, Maler versahen die Pfeiler und Wände mit frischer Farbe. Die üppigen Teppiche des Bischofs, die brokatenen Vorhänge, die seidenen Kissen und allerlei ‚sündiger Tand‘ wurden entfernt und in Truhen verstaut. In dem verwilderten Garten krümmten gemietete Knechte die Rücken beim Jäten, Graben, Säen und Pflanzen.
    Gleichzeitig gab es ein ständiges Kommen und Gehen von Gutsverwaltern, Pächtern und Mansusbauern. Durch Boten herbeigerufen, mußten sie ihrer neuen Herrin Rechenschaft geben. Die meisten trugen größere und kleinere Beutel mit Geld am Gürtel, deren Inhalt sie auf dem Tisch des Speisezimmers ausschütten mußten. Nicht nur einmal hörte ich Fausta laut zählen, worauf dann fast regelmäßig ein Hagelschauer von Vorwürfen auf den Abgabepflichtigen niederprasselte, der sich kleinlaut und stotternd für Diebereien, Faulheit und Fahrlässigkeit verantworten mußte. Häufig gab es auch Schläge dazu, und Wehgeschrei gellte durch das Haus. Es war Teut, der auf Befehl seiner Herrin die Peitsche schwang, und wenn der friesische Herkules zuschlug, schmerzte es trotz seiner Gutmütigkeit. Nur bei ihren Pfaffen besorgte die edle Frau die Züchtigung selber. Demütig kamen sie angewatschelt, müde und schmutzig und meist von weither, von den Gütern und Dörfern. Die meisten waren Hörige oder gar Unfreie, von tumbem Geist und schlecht ausgebildet. Konnten sie aber ihr Credo oder ihr Vaterunser nicht fehlerfrei aufsagen, setzte es unbarmherzig Hiebe. So wurde manches Gebet von kläglichem Stöhnen begleitet und manches ‚Amen‘ erstickt in Geheul und Gewimmer. Als ich einmal zaghaft der frommen Zuchtmeisterin eine weniger barbarische Methode empfehlen wollte, wurde ich schroff belehrt:
    „Sie verstehen nur diese Sprache. Sie sind faul und verlottert. Die Saat ihres Bischofs ist aufgegangen!“
    Nun waren wir allerdings nicht immer Zeugen solcher Vorgänge, weil wir oft unterwegs waren. Unserer Gewohnheit gemäß nutzten wir die ersten Wochen unseres Aufenthalts im Mandatsgebiet, um die Verhältnisse zu studieren. Stießen wir dabei auf grobe Mißstände, trafen wir unverzüglich unsere Maßnahmen. Frau Fausta hielt sich an ihr Versprechen und bezeichnete uns verschiedene Orte, wo nach ihrer Kenntnis gegen Gesetze verstoßen wurde. So konnten wir schon in den nächsten Tagen einen geheimen Sklavenmarkt und eine Falschmünzerwerkstatt ausheben. Dies mußte überfallartig geschehen, es kam zu Kämpfen, Verfolgungsjagden und langen Verhören. Wir kehrten dann nicht vor Einbruch der Dunkelheit, manchmal auch erst tief in der Nacht in das Haus am Alten Forum zurück.
    Über diesen Unternehmungen, die unseren ganzen Einsatz verlangten, geriet der Mord an Bischof Pappolus fast ein wenig in Vergessenheit. Das Feuer des Geistes und der Tatenlust lodert nun einmal fröhlich auf, wenn rascher Erfolg winkt, während es traurig niederbrennt, sobald eine Sache nicht recht vorankommen will. Nach zwei Wochen hatte sich nichts Neues ergeben, zu Nachforschungen hatten wir keine Zeit gehabt. Abends, vor dem Einschlafen, kaute ich ab und zu in Gedanken wieder, was mir bekannt war, doch gewann ich dem Brei keinen neuen Geschmack ab. Später im Traum erschien mir manchmal der Mann im roten Mantel. Als höllischer Reiter sprengte er über Stock und Stein durch die Nacht, um seine Untat zu melden. Vor hohen Mauern machte er Halt. Am Fensterchen einer Klosterpforte erschien ein erschrockenes Nonnengesicht. Auf einmal aber war es ein Wolfsrachen, der nach dem Kopf des Reiters schnappte und seine Gurgel durchbiß. Sobald das Blut spritzte, wachte ich schweißbedeckt auf. Dies träumte ich mehrmals, immer das gleiche. Aber ich bin nicht Joseph, Träume zu deuten verstehe ich nicht, und so brachte uns das nicht weiter.
    Indessen zweifelte ich keinen

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