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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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den Kriegerhimmel geleiteten. Wenn sie mit strenger Miene, wallendem Blondhaar, sich in den breiten Schultern wiegend durch die Halle schritt, konnte man meinen, daß die Erhebungen unter ihrer Tunika eiserne Panzer wären, ja daß sie überhaupt ganz aus Eisen bestünde und jede keck zu ihrer Eroberung vorgestreckte Lanze an ihr zersplittern müßte. Eine solche wandelnde Festung, noch dazu unerschütterlich im Glauben, war mit dem üblichen gockelhaften Getue, den Schmeicheleien und schlüpfrigen Scherzen, womit sich die meisten Weiber zufriedengeben, nicht einzunehmen. Odo legte sich also eine erhabene Pose zu und richtete sich auf eine lange Belagerung ein. Wie ein Feldherr stolzierte er umher, drückte die Brust heraus und warf Adlerblicke um sich. Ritt er über den Platz, ließ er Impetus tänzeln, und zeigte sich die Dame am Fenster, grüßte er sie mit ernstem Gesicht. Wenn er sie in der Nähe wußte, erzählte er mit dröhnender Stimme seine Heldentaten im spanischen Kriege. Er wurde auch plötzlich ein eifriger Kirchenbesucher und verharrte noch lange kniend im stillen Gebet, wenn die Messe vorbei war. Trat ihm die Dame entgegen, sagte er: „Gottes Segen über Euch, edle Frau!“ Und wenn sie den Rücken wandte, rief er ihr nach: „Gott mit Euch, edelste aller Frauen!“ Niemals erschien er in ihrer Gegenwart nachlässig, sondern stets im fleckenlosen Gewand, gestiefelt und gegürtet. Das Stirnband mit den drei kleinen Diamanten, das er sonst nur an Festtagen trug, wand er sich nun täglich ums Haupt. Auch die Waffen legte er kaum noch ab, als fürchte er, im entscheidenden Gang nicht gerüstet zu sein. Kurzum, er war kaum wiederzuerkennen.
    Besonders ärgerlich war, daß er der edlen Frau in nichts nachstehen wollte, auch nicht im Schnauzen und Schinden. Er kommandierte uns herum, als wären wir eine Affenhorde, und unsere Leute wunderten sich, weil sie plötzlich von ihm Knüffe und Püffe einstecken mußten. In Anwesenheit der Dame mußte selbst ich, der ich ihm ranggleich bin, mir Zurechtweisungen gefallen lassen. Wenn ich ihm, sobald wir allein waren, darüber Vorwürfe machte, lachte er nur und sagte, man müsse nun einmal singen, wie angestimmt werde. Jeder Versuch allerdings, ihm einzureden, er hielte das sauerste Bier für köstlichen Wein, schlug fehl.
    Sagte ich: „Sie trampelt durchs Haus wie ein Auerochse!“, erwiderte er: „Der Schritt einer Königin, einer Göttin!“ Fand ich: „Sie keift wie ein Marktweib!“, hörte er ‚ihre herrlich tönende, einer römischen Kriegstuba ähnelnde Stimme‘. Wenn sie prügelte, war sie ‚die stolze Herrin, die keinen Ungehorsam duldet‘. Nicht einmal von ihrem Raubtierblick ließ er sich schrecken. Er sah ein Auge auf sich ruhen, das ‚aufmerksam seine Seele erforschte‘.
    Nicht zu leugnen war allerdings, daß seine Strategie Erfolg hatte und das Auge der edlen Fausta mit wachsendem Wohlgefallen auf ihm ruhte. Immer häufiger ließ sich die Dame mit ihm auf lange Gespräche ein, bei denen das ‚hohe Paar‘, wie wir die beiden spöttisch nannten, im Garten auf und ab zu wandeln pflegte. Dann klirrten an ihrem Gürtel die Schlüssel und an dem seinigen die Waffen, ihr blondes und sein schwarzes Haar wehten im Winde, und seine Nase war kühnlich hochgereckt wie die Vorbauten ihrer Leibesfestung. Legte der eine etwas dar, hörte der andere nachdenklich zu und ließ nur ab und an einen Ausruf der Freude, der Überraschung oder Entrüstung hören. Manchmal lachten sie auch, und sie fletschte ihm ihre spitzen Zähne entgegen. Bei solchen Gesprächen erfuhr er dann freilich auch manches Nützliche, und es kam vor, daß er sich von der Dame gewissermaßen den Marschbefehl für den nächsten Tag holte. Waren wir erfolgreich, spendete sie ihm – und nur ihm – ein wortreiches Lob, und hatte er kleine Wunden empfangen, was manchmal vorkam, kniete sie bei ihm und strich eine Salbe auf. Thusnelda, die germanische Heldengemahlin, konnte sich nach der Schlacht im Teutoburger Wald nicht rührender um ihren Armin gesorgt haben.
    So standen die Dinge, als infolge einer Nachricht, die mich heftig empörte, die Untersuchung des Mordes an Bischof Pappolus wieder in Gang kam.
    An diesem Tag war Odo mit unserem Trupp allein unterwegs, um sich einen Vicarius vorzunehmen, der angeblich seinem Amtsgefährten im Nachbardorf das Vieh von der Weide stehlen ließ. Ich saß mit Rouhfaz in unserer ‚Kanzlei‘ und sah Gerichtsprotokolle durch. Nur zögernd hatte sie der

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