Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
bin ich Gastgeber. Es wird nur ein kleines Mahl angerichtet, und Wein und Bier werden nur in Maßen geschenkt. Morgen früh sollen alle frisch auf den Beinen sein! Fausta hat sich in die Kirche begeben. Sie will die ganze Nacht beten, Gottes Segen erflehen und für alles Mögliche um Vergebung bitten. Meiner Meinung nach übertreibt sie, aber sie betet gleich für mich mit, und das erspart mir die Mühe. Ich möchte morgen, wenn es gilt, gut ausgeschlafen und in Kampfstimmung sein! Auf Ehre, sie hat mir noch nichts gewährt außer …“
Ich erfuhr nicht, was die Ausnahme war, denn nun rief gleich ein ganzer Chor vergnügter Herren nach Odo.
Er eilte ins Haus.
Ich setzte mich auf eine Bank und vergrub den Kopf in den Händen.
Warum hatte ich nicht alles gesagt? Warum war ich so zaghaft und feige gewesen? Ein einziges Wort hätte ja genügt. Aber ich hatte es nicht über die Lippen gebracht.
Aus dem Hause war Freudengeschrei zu hören. Odo hatte wohl gerade verkündet, was am Morgen nach der Messe geschehen sollte. Was konnte ich jetzt noch tun? Zwar war es noch immer nicht zu spät. Aber konnte ich dort hineingehen und sagen: „Odo, ich habe dir noch etwas mitzuteilen. Deine Braut ist eine … ist eine …“
Nicht einmal im Geiste wagte ich dieses Wort zu benutzen. Wenn es nun so war, wie sie ihm erzählt hatte? Wenn sie wirklich nur aus Enttäuschung dem Kloster der drei Marien den Rücken gekehrt und aus Abscheu die Pilgergruppe verlassen hätte? Wenn diese Erzählung nicht nur der listige Versuch war, den Nachrichten, die ich bringen würde, von vornherein eine harmlose Deutung zu geben?
Ich bemerkte gar nicht, wie meine Gedanken in ein stummes Gebet übergingen. Gott ist ja immer der letzte Ausweg für uns elende Schwächlinge, wenn wir nicht weiterwissen. Ich bat um Mut und Festigkeit, um ein Zeichen, um einen rettenden Einfall, vor allem aber um jenen Beweis, mit dessen Hilfe ich die letzte Masche meines Netzes knüpfen wollte. Ob es der Herr war, der mein Gebet erhörte, ist nicht gewiß. In seiner unendlichen Gnade neigt er ja bekanntlich dazu, auch Untaten zu verzeihen, wenn nur der Täter eine edle Geburt, eine hohe Stellung oder sonst etwas aufzuweisen hat, was ihn über das einfache Christenvolk hinaushebt. Und da sich Frau Fausta zur selben Zeit in der Kirche um diese Gnade bemühte, war es nicht unwahrscheinlich, daß er ihr wohlgefällig sein Ohr lieh. In diesem Falle war es vermutlich der Teufel, welcher sich meiner Bitte annahm. Der belauscht ja bekanntlich alle unsere Gebete. Es ärgerte ihn vielleicht und empörte seinen plebejischen Sinn, daß diese hochgeborene Fromme, die er heimtückisch auf den Weg des Verbrechens geführt hatte, durch die Güte unseres Herrgotts ihrer Strafe entgehen sollte. Wer immer also mein stummes Flehen erhörte, Gott oder der Teufel … er machte, daß sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte und eine Stimme sprach:
„Vater, wir haben den Mann!“
Ich blickte auf, noch etwas abwesend, sah Heiko vor mir stehen und fragte: „Welchen Mann?“
„Den, der die zweite Fibel hat.“
„Wie? Es gibt ihn? Ihr bringt ihn?“
„Er wartet auf Euch.“
Ein freudiger Schauer durchzuckte mich. Ich sprang auf die Beine.
„Wer ist es?“
„Ein Goldschmied. Sein Name ist Hildebold. Sein Herr wollte ihn erst gar nicht fortlassen. Er glaubte, sein kostbarer Handwerker sollte entführt werden.“
„Wo habt ihr denn diesen Goldschmied gefunden?“
„Acht Meilen von hier, im benachbarten Comitat. Teut und ich haben alle Schenken durchstreift, hundert Männer befragt. Ein Händler nannte uns schließlich den alten Edlen. Der sei verrückt nach seltenem Schmuck aus der Zeit der früheren Könige, gebe viel Geld dafür aus. Sein Goldschmied müsse die Stücke nacharbeiten, damit mache er gute Geschäfte. Na, da ritten wir natürlich gleich hin!“
„Und ihr konntet euch Gewißheit verschaffen, daß …“
„Ich gab mich als Herr aus, den Teut als meinen Knecht. Anfangs tat ich, als wolle ich etwas kaufen. Der alte Edle führte uns in die Werkstatt des Hildebold. Sie zeigten uns dieses und jenes … und auf einmal, Vater, die Fibel! Sie glich der unsrigen wie ein Zwilling dem anderen. Vorsichtig brachte ich heraus, daß eine edle Dame sie verkauft hatte, angeblich aus Not, zusammen mit Goldbeschlägen von Gürteln und Wehrgehängen aus dem Erbe ihres gefallenen Heldengemahls. Die Beschreibung der Dame paßte genau! Nun sang ich gleich ein anderes
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