Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
Schulter.
„Nun, wenn es das ist, mein guter Vater, so ereiferst du dich ganz unnötig …“
„Ich weiß, ich weiß! Du vertraust ihr blind! Ich habe aber auf meiner Reise nachprüfen können, daß sie in allen diesen Punkten falsche Angaben machte!“
„Ja, und das hat sie mir längst gestanden!“
„Wie? Sie hat dir gestanden …“
„… daß alles ein bißchen anders war. Daß sie ihr Kloster schon verlassen hatte, als sie die Nachricht erhielt und sich hierher aufmachte.“
„Ah! Und warum verließ sie das Kloster?“
„Um eine Pilgerreise zu machen. Hat man dir das dort nicht mitgeteilt? Unterwegs allerdings änderte sie ihre Absicht und beschloß heimzukehren. Sie hatte ja kein Gelübde abgelegt und war frei in ihren Entschlüssen. Zum Glück!“
„Und warum hat sie uns dann belogen und behauptet …?“
„Das will ich dir sagen: aus Schamgefühl! Obwohl es für sie nichts Höheres gibt als Gott und die Religion, verließ sie ihr Kloster und brach eine Pilgerfahrt ab. Dafür hatte sie Gründe, doch fürchtete sie, daß wir die nicht verstehen würden.“
„Nun, Gründe hatte sie ohne Zweifel!“
„Sie fühlte sich abgestoßen vom Klosterleben, wo sie wahre Frömmigkeit nicht gefunden hatte. Aus Rücksicht nannte sie keine Einzelheiten, aber du warst ja dort und müßtest die Mißstände festgestellt haben. Um ihnen zu entfliehen, begab sie sich auf diese Pilgerreise. Doch da erlebte sie noch Schlimmeres! Alle Nonnen wurden zu wilden Stuten. Auch das hat sie mir natürlich nur angedeutet. Ich verstehe ja diese armen Jesusbräute, aber sie fühlte sich tief verwundet. Ohne Abschied verließ sie die Pilgergruppe.“
„Und wohin schleppte sie ihre verwundete Seele?“
„Auf dem kürzesten Wege nach Hause. Sie hatte erkannt, daß das Leben der Gottgeweihten nicht ihrer Bestimmung entsprach. So beschloß sie, das Gut zu verwalten, das ihr als Wittum gehörte, und im weltlichen Leben fromme Werke zu tun. Kurz vor dem Ziel, nur wenige Meilen von hier, erfuhr sie vom Tode des Bischofs. Natürlich änderte sie sofort die Richtung und begab sich hierher, um ihre Angelegenheiten zu ordnen.“
„So also hat sie es dir dargestellt.“
„Ja, sie hat mir alles bekannt, mit dem größten Freimut. Natürlich bedurfte es erst einer gewissen Vertrautheit zwischen uns, bevor sie dazu imstande war. Du siehst, es gibt nicht die geringste Ursache, nach Geheimnissen zu forschen. Deine Grobheit werde ich dir noch einmal verzeihen. Ich hoffe aber, daß du die edle Fausta von jetzt an nur noch mit Aufmerksamkeit und Achtung behandelst. Das heißt, so wie es meiner Braut zukommt. Denn morgen schon wird unsere Verlobung sein!“
„Schon morgen?“ rief ich.
„Wir wollen keine Zeit mehr verlieren!“ Odo hatte den Mißklang in unserem Gespräch bereits vergessen und sprach heiter und aufgeregt wie ein Knabe. „Die Männer, die mit uns gekommen sind, werden Zeugen sein. Ich habe schon alles vorbereitet. Natürlich beachten wir die Bräuche. Fausta hat zwar keine Eltern mehr und auch ihr letzter Muntwalt ist tot … dennoch werde ich die drei Solidi und einen Denar für die Munt zahlen, wie üblich bei einer zweiten Ehe der Frau. Ein alter entfernter Verwandter, den wir mitgebracht haben, wird sie empfangen. Auch die Pantoffeln stecke ich ihr an die Füße, nach gallischer Sitte, damit der Hausfrieden hält. Und sieh mal hier …“ Aus einem Lederbeutel, den er am Gürtel trug, fischte er zwei goldene Fingerringe. „Wir werden uns auch nach römischem Brauch verloben! Der Ring … das ist nämlich der Kreis ohne Anfang und Ende, und das bedeutet, die künftige Ehe soll ewig dauern. Wußtest du das? Ah, ehe ich es vergesse: Stelle uns bitte eine Urkunde aus! ‚Odo, Sohn des Grimoald und der Lampadia, und Fausta, Tochter des Rathar und der Domnola, Witwe des Unibert et cetera … ‘ Das ist zwar nach unserm Frankenrecht unnötig, doch Fausta will es so. Meinetwegen! Es soll alles nach ihren Wünschen geschehen. Heiraten wollen wir zwar erst, wenn ich die Ernennung zum Grafen habe, aber mit einer gewissen Sache, du verstehst schon, können wir nicht so lange warten. Eine vorschriftsmäßige Verlobung muß allerdings sein …“
„Odo!“ unterbrach ich ihn verzweifelt. „Ich habe dir etwas Wichtiges mitzuteilen! Es ist unaufschiebbar …“
In diesem Augenblick wurde aus dem Hause nach ihm gerufen.
„Du hörst es, Vater, die Amtspflichten müssen warten!“ sagte er lachend. „Heute abend
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