Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
die glückliche Meerfahrt.
Jetzt war der vierte Tag, als in Argos mit seinen Genossen
Landete Tydeus’ Sohn, Diomedes, der Rossebezähmer.
Aber ich setzte den Lauf nach Pylos fort, und der Fahrwind
Hörte nicht auf zu wehn, den uns der Himmlische sandte.
Also kam ich, mein Sohn, ohn’ alle Kundschaft und weiß nicht,
Welche von den Achaiern gestorben sind oder noch leben.
Aber soviel ich hier im Hause sitzend erkundet,
Will ich, wie sich’s gebührt, anzeigen und nichts dir verhehlen.
Glücklich kamen, wie’s heißt, die streitbaren Myrmidonen,
Angeführt von dem trefflichen Sohne des großen Achilleus;
Glücklich auch Philoktetes, der glänzende Sohn des Pöas.
Auch Idomeneus brachte gen Kreta alle Genossen,
Welche dem Krieg entflohn, und keinen raubte das Meer ihm.
Endlich von des Atreiden Zurückkunft habt ihr Entfernten
Selber gehört, wie Aigisthos den traurigsten Tod ihm bereitet.
Aber wahrlich, er hat ihn mit schrecklicher Rache gebüßet!
O wie schön, wenn ein Sohn von einem erschlagenen Manne
Nachbleibt! Also hat jener am Meuchelmörder Aigisthos
Rache geübt, der ihm den herrlichen Vater ermordet!
Auch du, Lieber, denn groß und stattlich bist du von Ansehn,
Halte dich wohl, daß einst die spätesten Enkel dich preisen!
Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Nestor, Neleus’ Sohn, du großer Ruhm der Achaier,
Schreckliche Rache hat jener geübt und weit in Achaia
Wird erschallen sein Ruhm, ein Gesang der spätesten Enkel.
O beschieden auch mir so viele Stärke die Götter,
Daß ich den Übermut der rasenden Freier bestrafte,
Welche mir immer zum Trotz die schändlichsten Greuel ersinnen!
Aber versagt ward mir ein solches Glück von den Göttern,
Meinem Vater und mir! Nun gilt nichts weiter, als dulden!
Ihm antwortete drauf der Rossebändiger Nestor:
Lieber, weil du mich doch an jenes erinnerst; man sagt ja,
Daß um deine Mutter ein großer Haufe von Freiern
Dir zum Trotz im Palaste so viel Unarten beginne.
Sprich, erträgst du das Joch freiwillig, oder verabscheun
Dich die Völker des Landes, gewarnt durch göttlichen Ausspruch?
Aber wer weiß, ob jener nicht einst, ein Rächer des Aufruhrs,
Kommt, er selber, allein oder auch mit allen Achaiern.
Liebte sie dich so herzlich, die heilige Pallas Athene,
Wie sie einst für Odysseus den Hochberühmten besorgt war
In dem troischen Lande, wo Not uns Achaier umdrängte
(Niemals sah ich so klar die Zeichen göttlicher Obhut,
Als sich Pallas Athene für ihren Geliebten erklärte!),
Liebte sie dich so herzlich und waltete deiner so sorgsam:
Mancher von jenen vergäße der hochzeitlichen Gedanken!
Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Edler Greis, dies Wort wird schwerlich jemals vollendet,
Denn du sagtest zu viel! Erstaunen muß ich! O nimmer
Würde die Hoffnung erfüllt, wenn auch die Götter es wollten!
Drauf antwortete Zeus’ blauäugichte Tochter Athene:
Welche Rede, o Jüngling, ist deinen Lippen entflohen!
Leicht bringt Gott, wenn er will, auch Fernverirrte zur Ruhe,
Und ich möchte doch lieber nach vielem Jammer und Elend
Spät zur Heimat kehren und schaun den Tag der Zurückkunft,
Als heimkehrend sterben am eigenen Herde, wie jener
Durch Aigisthos’ Verrat und seines Weibes dahinsank.
Nur das gemeine Los des Todes können die Götter
Selbst nicht wenden, auch nicht von ihrem Geliebten, wenn jetzo
Ihn die finstere Stunde mit Todesschlummer umschattet.
Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Mentor, rede nicht weiter davon, wie sehr wir auch trauern!
Jener wird nimmermehr heimkehren, sondern es weihten
Ihn die Unsterblichen längst dem schwarzen Todesverhängnis.
Jetzo will ich Nestorn um etwas anderes fragen,
Ihn, der vor allen Menschen Gerechtigkeit kennet und Weisheit.
Denn man saget, er hat drei Menschenalter beherrschet;
Darum scheinet er mir ein Bild der unsterblichen Götter.
Nestor, Neleus’ Sohn, verkünde mir lautere Wahrheit!
Wie starb Atreus’ Sohn, der große Held Agamemnon?
Wo war denn Menelaos? Und welchen listigen Anschlag
Fand der Meuchler Aigisthos, den stärkeren Mann zu ermorden?
War er etwa noch nicht im achaiischen Argos und irrte
Unter den Menschen umher, daß der sich des Mordes erkühnte?
Ihm antwortete drauf der Rossebändiger Nestor:
Gerne will ich, mein Sohn, dir lautere Wahrheit verkünden.
Siehe, du kannst es dir leicht vorstellen, wie es geschehn ist.
Hätt er Aigisthos noch lebendig im Hause
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