Ödland - Thriller
nachfüllen und dann nichts wie weg hier! Er springt in den Sand - und versinkt bis zu den Knöcheln. Die Reifen des Lastwagens sind nur noch halb zu sehen. Der Sand ist grau, fein wie Puder und hat sich auf dem Grund einer leichten Vertiefung gesammelt - wahrscheinlich der letzten Spur eines schon seit Ewigkeiten trockenliegenden Wadis. Der gefürchtete fech-fech! Ein weicher Sand, in dem alles versinkt, außer den Hufen der Kamele, die federleicht über ihn hinwegschreiten können. Und der Mercedes sitzt mit sechs Achsen darin fest; lediglich die Hinterreifen des Anhängers stehen noch auf festem Untergrund. So eine Scheiße! Rudy seufzt aus tiefstem Herzen. Verlassen Sie keinesfalls die markierte Piste ... Als Rudy das Lenkrad herumgerissen hat, hat er sie von der Piste katapultiert, auf der sich übrigens ebenfalls fech-fech befindet, weil sie den Überrest des Wadis quert. Mit hundert Stundenkilometern dürfte der feine Sand allerdings zu schaffen sein!
Rudy steigt wieder ein, lässt den Motor an und versucht, ganz sanft anzufahren. Die Räder drehen durch, und der Lkw gräbt sich noch tiefer ein.
»Sitzen wir fest?«, fragt Laurie.
»Ja.« Rudy erklärt ihr knapp die Situation. »Leider bleibt uns nichts anderes übrig, als die Sandbleche herauszuholen und zu graben.«
Nach einer halben Stunde Schwerstarbeit, die Rudy fast allein erledigen musste, weil Laurie so erschöpft war, dass sie sich geschlagen gab, hat er es - angetrieben von seiner Wut, der Entschlossenheit, sich nicht in sein Schicksal zu fügen, und dem brennenden Wunsch, die tonlosen Stimmen in seinem Kopf zum Teufel zu schicken - endlich geschafft, alle Reifen so weit auszugraben, dass er jeweils zwei Sandbleche unterlegen kann. Die Bleche sind so heiß, dass er Blasen an den Händen bekommt. Er steigt ins Führerhaus, lässt den Motor an, legt den ersten Gang ein und tritt so sanft wie eben möglich auf das Gaspedal. Einen Meter weit finden die Reifen Halt, dann rutscht eins der Bleche weg, der Lkw gräbt sich noch tiefer ein und bleibt mit Schlagseite liegen.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, stöhnt Rudy entnervt.
»Und jetzt?«
»Jetzt bleibt uns nur noch die Seilwinde, falls sie überhaupt stabil genug ist.«
Rudy stärkt sich mit einer weiteren Flasche Wasser und geht wieder an die Arbeit. Natürlich findet sich nichts, wo er das Seil befestigen könnte - nicht einmal ein kleiner Felsen. Wieder muss er graben, dieses Mal allerdings außerhalb des fech-fech in der harten, steinigen Erde, wo er eine schwere, aus der Ladung entnommene Stahlstange aufstellen will. Mehr als einmal fühlt er sich versucht aufzugeben. Ihm ist schwindelig, vor seinen Augen tanzen Lichtpunkte, mühsam pumpt sein Herz dickflüssig gewordenes Blut durch die Adern, seine Kehle brennt, und immer wieder muss er kurze Pausen im Schatten des Lkw einlegen.
Als die Stahlstange schließlich eingegraben ist, steht die Sonne knapp über dem Horizont. Ganz allmählich wird es kühler. Rudy rollt das Seil von der Winde ab, befestigt es an der Stange und kehrt, mühsam durch den fech-fech stakend, zum Führerhaus zurück, wo er den Motor der Winde in Gang setzt. Das Kabel spannt sich, der Lkw bebt - und die Stange wird im hohen Bogen aus dem Erdreich gerissen, knallt zu Boden und kollert über das Geröll.
Rudy lässt den Kopf auf das Lenkrad sinken. Laurie legt ihm den Arm um die Schultern und streicht ihm über die vor Staub grauen und starren Haare. Wie sollte sie ihn sonst trösten? Was könnte sie sagen, das in diesem Moment nicht hohl und lächerlich klänge?
»Wir schaffen das schon«, versucht sie es trotzdem. »Vielleicht kommt ja jemand vorbei...«
»Ach wirklich? Hast du etwa einen Lastwagen gesehen, seit wir hier festsitzen?«
»Nein, aber es gibt welche. Zumindest ab und zu. Immerhin war es ja auch ein Lastwagen, dem wir unsere missliche Lage zu verdanken haben!«
»Wenn der nächste allerdings erst in acht Tagen vorbeikommt, haben wir schlechte Karten, Laurie.«
»Du musst nicht immer gleich so schwarzsehen. Was ist das? Höre ich da nicht etwas?«
»Was denn?«
»Ich dachte, es wäre ein Motorengeräusch.«
Rudy zuckt die Schultern.
»Deine Sinne trügen dich, Laurie. In der Wüste sieht und hört man alles Mögliche. Manchmal sieht man Wasserflächen, Palmen und Häuser. Oder man hört Vögel singen und Tote seufzen.«
»Ich glaube, ich sehe trotzdem mal nach.«
Laurie steigt auf das Dach des Führerhauses, um einen besseren Überblick zu
Weitere Kostenlose Bücher