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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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übermenschlichen Kraftanstrengung, der letzten, die Laurie noch ertragen kann, erklimmen sie eine kleine Erhebung, einen der ersten Ausläufer des As Edjrad, dessen Hügel Rudy am Horizont im ersten morgendlichen Dämmern des Himmels zu erkennen glaubt. Was er jedoch bis in die kleinste Einzelheit dort unten im Tal unterscheiden kann, ist die Glut eines verlöschenden Feuers, die spitzen Formen einiger Zelte, ruhende Kamele - und die massive, eckige Silhouette des Mercedes!
    Gerade noch kann er sich bremsen, den Hügel hinunterzustürmen und sich seiner Wirklichkeit gewordenen Hoffnung zu bemächtigen; er weiß genau, dass man ihn mit Schüssen empfangen würde. Stattdessen lässt er sich in den Sand fallen und zieht auch Laurie hinunter, die ebenfalls die Erlösung erkannt hat, aber nicht mehr in der Lage ist, richtig zu reagieren. Mit irren Augen und wackligen Schritten wollte sie auf den Lkw zulaufen, als handele es sich bei ihm um einen klaren Süßwassersee und bei den sterbenden Feuern um das Versprechen eines Festmahls und köstlicher Ruhe.
    »Um Himmels willen, runter mit dir, Laurie!«
    »Was? Wie?«
    »Wir dürfen nicht entdeckt werden. Denk daran, die Leute dort unten sind Diebe. Was glaubst du wohl, wie die uns empfangen würden?«
    Die Antwort auf diese Frage erhält Rudy noch in der gleichen Sekunde, und zwar in Form einer kalten, runden Berührung in seinem Nacken. Sein Herz setzt einen Schlag aus, und ein kalter Schauder läuft ihm den Rücken hinunter, denn er ahnt sehr wohl, dass es sich um einen Gewehrlauf handelt. Das bestätigt auch die raue Stimme hinter ihm.
    »Kein Ton und keine Bewegung, sonst bist du ein toter Mann!«
    Laurie dreht sich um und schreit vor Schreck auf. Sofort richtet sich der Gewehrlauf auf sie.
    »Das Gleiche gilt auch für dich, roumia!«
    Der Mann mit dem Gewehr ist ein Targi in einer dunklen Djellaba. An den Füßen trägt er Schuhe aus Kamelleder, sein Kopf ist mit der üblichen indigofarbenen Kopfbedeckung, dem tagelmoust, verhüllt. Um die Hüfte hat er einen Patronengurt geschlungen; er hält sein AK74, dessen Lauf abwechselnd auf Rudy und Laurie gerichtet ist, im Anschlag. Die Augen des Mannes blitzen im Schatten des Cheche.
    »Warum schieße ich eigentlich nicht?«, überlegt er laut in ehrlich erstauntem Ton.
    »Vielleicht aus Neugier?«, souffliert Rudy.
    Der Targi schüttelt den Kopf.
    »Aus Respekt?«, schlägt Laurie vor.
    »Nein. Aber dieser roumi dort, der hat etwas. Er ist ein kel essuf.«
    Rudy wirft Laurie einen fragenden Blick zu, doch sie versteht ebenso wenig. Der Targi bemüht sich um eine Erklärung.
    »Du bist ein Mann der Einsamkeit. Deine Toten begleiten dich.«
    Zwar hat Rudy immer noch Probleme mit der französischen Sprache, aber diese Worte hat er verstanden; er spürt sie in seinem tiefsten Innern. Mit einem Gemisch aus Respekt und Furcht vor dem Unbekannten betrachtet er den Targi.
    »Hoch mit euch«, fordert der Mann sie auf. »Ich bringe euch zu unserem amghar. Er wird entscheiden, was mit euch geschehen soll.«
    Als er sieht, dass Laurie kaum aufstehen, geschweige denn gehen kann, macht der blaue Mann Rudy ein Zeichen, ihr zu helfen. Offensichtlich hat der Kerl ein Herz, denkt Rudy. Vielleicht ist es ja doch möglich zu verhandeln.
    Die Menschen sind bereits auf den Beinen, als sie das Lager erreichen. Die Dromedare werden gezäumt und beladen, die Zelte zusammengelegt und das Feuer für den morgendlichen Tee geschürt. Der Wächter bringt seine Gefangenen zu einem alten, grauhaarigen Mann mit unbedecktem Kopf, der sich bei ihrer Ankunft erhebt. Im Vorübergehen hat Rudy feststellen können, dass die Motorhaube des Mercedes offen steht. Wahrscheinlich war der Motor überhitzt und hat den Geist aufgegeben. Daher auch dieses improvisierte Biwak mitten im Nichts. Guter, alter Lastwagen - schön, dass er lieber auf seine wahren Herren warten wollte!
    »Amestan ag Kedda, ich habe dieses Paar oben auf dem Hügel dabei ertappt, wie es uns beobachtete«, erklärt der Targi dem Stammesführer in seiner Sprache. »Ich habe sie nicht getötet, weil der Mann ein kel essuf ist. Die Dschinns und die Geister der Toten folgen seinen Schritten.«
    »Das sehe ich, Ighlaf«, erwidert der amghar in der gleichen Sprache und nickt. »Frage ihn, wer er ist, woher er kommt und was er hier will.« Ohne auf eine Antwort zu warten, ruft Amestan eine vorbeigehende Frau zu sich, die Hirsefladen zum Feuer bringt. »Tinhinan! Diese Frau dort ist sehr erschöpft. Gib

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