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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Chinesen, seit sie dem Kommunismus abgeschworen hatten, der sich nicht mehr mit ihrem Status als Wirtschaftsmacht vereinbaren ließ, wieder viel Wert auf die alten Traditionen legten und häufig Kong Zi oder Konfuzius, Sunzi (Sun Tsu), Zhuangzi (Dschuang Dse) und Laozi (Laotse) zitierten. Und so versuchte sie es mit einer Finte.
    »Ehe wir in die Diskussion einsteigen, meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, einige Aphorismen zu zitieren, damit wir unseren Geist auf positive Weise auf unser Gespräch einstimmen. So sagte Kong Zi: ›Der, dessen Geist nicht weit wandert, sieht das Ungemach aus der Nähe.‹ Und Laozi gab Folgendes zum Besten: ›Es gibt keine größere Sünde, als viel zu begehren, kein größeres Übel, als unersättlich zu sein, und keinen schlimmeren Fehler als den Appetit auf Besitz. Sich mit dem Ausreichenden zu begnügen bedeutet, immer zu genügen.‹ Oder auch: ›Wenn ein großes Reich sich vor einem kleinen erniedrigt, erobert es dieses auf diese Weise. Wenn das kleine Reich sich vor dem großen erniedrigt, lässt es sich auf diese Weise erobern. Das große Reich will nichts anderes, als Menschen zu vereinen und zu ernähren. Das kleine Reich will nichts anderes, als am Dienst an den Menschen teilzuhaben. Auf diese Weise bekommt jeder, was er will, doch es obliegt dem großen Reich, sich zu erniedrigen.‹ Stimmen Sie diesen Weisheiten zu?«
    »Aber natürlich«, nickt der Wortführer der Chinesen. »Allerdings sehe ich keinerlei Zusammenhang mit den Geschäften, über die wir hier verhandeln wollen.«
    »Und dabei liegt er doch auf der Hand. Indem Sie dem Land die Bohrausrüstung gespendet haben, wollten Sie sich einen lukrativen Markt in Burkina Faso öffnen. Sozusagen ein Handelskrieg auf die gute Art. Überlegen Sie doch einmal, wie Sie vorgehen: Im Gegenzug für Ihre Spende verlangen Sie Anteile an der Ausbeute, ein Aktienpaket, die Gründung einer gemischten Nutzungsgesellschaft und was weiß ich noch. Doch für die Menschen in Burkina Faso wäre das ganz schlecht. Ihnen käme es so vor, als nähmen Sie mit einer Hand das zurück, was Sie mit der anderen gegeben haben. Außerdem hätten Sie es mit Partnern, Aktionären oder Kunden zu tun, die sehr arm oder gar insolvent sind und keine Ahnung von der Praxis der Mischwirtschaft haben. Sie würden Ihnen große Probleme bereiten und Sie Zeit und Geld kosten. Ihren Dividenden müssten Sie nachlaufen, weil sie zu spät und nur unwillig bezahlt würden. Wenn Sie jedoch eine öffentliche Erklärung abgäben, dass Sie uns die Bohrausrüstung ohne Gegenleistung überlassen, wären Ihnen sowohl das Volk als auch die Regierung dieses Landes zu großem Dank verpflichtet. Natürlich würde man Sie als bevorzugten Partner für die Märkte sehen, die sich durch die Erschließung des Wasservorkommens ergeben, und auch für andere, die nichts damit zu tun haben. Da der Impuls von den Beschenkten selbst käme, würde man Sie bar und ohne Verzug auszahlen. Erkennen Sie die Vorzüge, die Sie aus einem solchen Abkommen ziehen könnten? Sie sind sicherer und einträglicher als jede andere Lösung.«
    Die Delegierten waren ausgesprochen beeindruckt, sowohl von Lauries Tirade als auch von ihrer Kenntnis der alten Texte, die sie auswendig vorzutragen wusste. Es gab ein kurzes Geplänkel um Formalitäten, sie verlangten Garantien, wollten einen Sockelbetrag festlegen und wünschten eine vorläufige Übersicht über mögliche Märkte, die China sich in Burkina Faso öffnen könnte. Aber Laurie wusste, dass die Partie gewonnen war. Da sie nichts über die tatsächliche wirtschaftliche Situation des Landes wusste, machte sie lediglich vage Versprechungen, sagte zu, sich mit dem Minister abzustimmen, sobald dieser genesen sei, damit das Büro für Außenhandel so bald wie möglich in den Genuss konkreter Vorschläge käme, und schmückte das Ganze mit weiteren Zitaten von Kong Zi, Zhuangzi und Mozi, die sie seit ihrer Doktorarbeit in politischer Soziologie mit dem Titel »Der Einfluss konfuzianistischen Gedankenguts, des Taoismus und der antiken chinesischen Philosophie auf die Entwicklung der asiatischen Wahrnehmung der Neuzeit« noch auswendig kannte. Zwar war sie der Meinung gewesen, alles vergessen zu haben, doch die besonderen Umstände hatten einen längst verschüttet geglaubten Teil ihrer Erinnerung wiedererweckt.
    Als sich Fatimata, von ihrer Sekretärin alarmiert, zu ihnen gesellte, neigte sich die Verhandlung bereits ihrem Ende zu. Die bezauberten

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