Ödland - Thriller
Kind, als Moussa aufbrach, und seine recht mittelmäßigen Schulnoten ließen nicht auf eine Karriere hoffen, die den finanziellen Aufwand wert gewesen wäre, den Fatimata für ihren deutlich begabteren Ältesten gern in Kauf nahm. Mit den Jahren legte sich die Eifersucht. In einem Alter, in dem man ernsthaft darüber nachzudenken beginnt, wie man seine Zukunft gestalten möchte, beschloss Abou sogar, in Burkina Faso zu bleiben, »um dem Land nützlich zu sein«. Noch wusste er nicht genau, wie er das anstellen sollte, als plötzlich die Einladung zur Musterung ins Haus flatterte. Zwar ist der Militärdienst in Burkina schon lange keine Pflicht mehr, doch Abous Mutter legte Wert darauf, dass er seinen Wehrdienst ableistete, weil er bei dieser Gelegenheit die Möglichkeiten, seinem Land zu nützen, besser kennenlernen konnte. Hinzu kam, dass Abou immer schon seiner Großmutter sehr nahestand, die ihn offenbar in die traditionelle Heilkunst einwies. Woher also kam die plötzliche Marotte, unbedingt nach Europa zu wollen?
»Ja ... vielleicht«, antwortet er ausweichend.
Um seine Verlegenheit zu verbergen, leert er seine Bierdose in einem Zug.
»Du willst mit einer Weißen in Europa leben?«, hakt Moussa nach. »Jetzt sag bloß nicht, dass es diese - wie heißt sie noch? ... Laurie? -, also, dass es diese Laurie ist!«
Abous Wangen werden einen Ton dunkler, doch er antwortet nicht. Moussa lacht laut auf.
»Da hast du aber wirklich auf das falsche Pferd gesetzt, mein Alter! Erstens hat sie dich überhaupt nicht bemerkt, und zweitens ist sie mindestens dreißig!«
»Na und?«
»Mensch, Abou, denk doch mal nach! Du weißt absolut nichts über sie, und du hast sie nur ein einziges Mal am Tag ihrer Ankunft gesehen. Inzwischen ist sie in Ouaga bei Mutter, und wenn du Pech hast, reist sie in den nächsten Tagen zurück nach Frankreich zu ihrem Mann oder ihrem Freund ...«
»Nein. Sie wird hierher zurückkommen. Das weiß ich sicher.«
»Ach ja? Hat sie es dir gesagt?«
»Ich habe es im Bangré gesehen.«
Moussa zuckt die Schultern.
»Unsinn. Wahrscheinlich hast du geträumt.«
»Außerdem hat sie in Frankreich weder einen Ehemann noch einen Freund.«
»Hast du das auch im Bangré gesehen?«
»Nein, das weiß ich von Rudy. Er schläft übrigens auch nicht mit ihr.«
»Das hat Rudy dir gesagt? Einfach so?«
»Ich habe ihn gefragt.«
»Du bist mir vielleicht einer!« Moussa schaut seinen Bruder verblüfft an. »Ganz schön mutig! Glaubst du wirklich, dass sie sich für einen einfachen und noch dazu so jungen Soldaten wie dich interessiert? Vielleicht ist sie ja auch lesbisch.«
»Ist sie was?«
Abou wendet den Blick von den unsichtbaren Sternen ab und schaut seinen Bruder arglos an.
»Lesbisch!«, lacht Moussa. »Eine Frau, die Frauen liebt. Was bringt man dir denn in der Kaserne so bei?«
»Pah!« Jetzt ist der jüngere Bruder an der Reihe, die Schultern zu zucken. »Sag nichts Schlechtes über Laurie. Sie ist ein feiner Kerl.«
»Schon gut, Abou. Trotzdem glaube ich, dass du dir Illusionen machst. Und was ist mit Félicité? Ich habe beobachtet, wie sie um dich herumscharwenzelt...«
»Sie ist eine dumme Gans.«
»Also, ich finde sie ziemlich hübsch. Und geistvoll obendrein.«
»Du kannst sie haben, wenn du willst.«
»Aber sie will dich.«
»Sie will mich, weil ich der Sohn der Präsidentin bin. Sie glaubt, dass sie so in bessere Verhältnisse aufsteigt.«
»Gut möglich«, muss Moussa zugeben. »Aber was ist mit deinen Studien bei Großmutter? Das Bangré zum Beispiel. Ich habe gehört, dass du die Gabe hast...«
»Wer hat dir das denn erzählt?«
»Die Gerüchteküche ... Würdest du das alles zurücklassen, um Laurie nach Europa zu folgen?«
»Ich würde alles zurücklassen, um Laurie überallhin zu folgen.«
»Du bist ganz schön verliebt, Bruderherz.«
»Du sagst es, Bruderherz.«
»Trotzdem: Gerade, weil du die Gabe hast, solltest du erkennen, dass es keinen Sinn hat. Das sehe sogar ich, obwohl ich die Gabe nicht habe.«
»Das kommt daher, dass du nicht verliebt bist.«
»Richtig, denn es ist allgemein bekannt, dass die Liebe blind macht.«
»Ich schwöre dir, dass keine acht Tage vergehen werden, bis ich Laurie in den Armen halte.«
»Schon gut, du musst nur dran glauben. Möchtest du noch ein Bier?«
»Gern, wenn noch eins da ist.«
Während Moussa aufsteht und in die Wohnung geht, ruft Moussa ihm durch die offene Balkontür nach:
»Und es wird für das ganze Leben
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