Ödland - Thriller
einem der Marmorwaschtische festzuhalten, um nicht hinzufallen. Wer, wann und wie? Sie muss es selbst getan haben, denn Anthony kümmert sich nie um seinen Sohn. Im Gegenteil, er meidet ihn wie die Pest. Also muss sie selbst eines Tages alles weggeworfen haben und kann sich nicht einmal mehr daran erinnern! Unglaublich! Ob es Tony war, der sie dazu gebracht hat - so, wie er dafür gesorgt hatte, dass der Leibwächter des Reverends seine Waffe fallen ließ? Hat er einen derart großen Einfluss auf sie, dass er ihre gesamte Erinnerung auslöschen kann? In diesem Fall ... was sonst könnte sie getan haben, woran sie sich nicht mehr erinnert?
Während sie gerade versucht, sich einigermaßen von der erschreckenden Erkenntnis zu erholen, erscheint Anthony an der Tür.
»Du? Was machst du denn hier? So früh habe ich nicht mit dir gerechnet.«
»Ärger im Büro. Ich musste zurückkommen, um...«
Ohne den Satz zu beenden, geht Anthony auf seinen eigenen Medikamentenschrank zu, in dem er seine eisernen Reserven an Psychopharmaka aufbewahrt. Auf halbem Weg hält er inne, weil er die Verwirrung seiner Frau bemerkt.
»Was ist los, Pamela?«
Er folgt ihrem unsteten Blick. Sie hat vergessen, Tonys Medikamentenschrank zu schließen. Nun reißt auch Anthony die Augen auf.
»Mein Gott, Pamela! Wo sind Juniors Medikamente?«
»Ich fürchte ... ich habe sie ... weggeworfen«, gesteht sie errötend.
»Weggeworfen? Hast du gerade weggeworfen gesagt?«
Sie nickt und versucht sich zu verteidigen: »Tony ist im Besitz der göttlichen Gnade. Gott ist in ihm und kümmert sich um seinen Körper. Er braucht keine Medizin mehr...«
Fuller schnappt nach Luft. Er vergräbt den Kopf in den Händen, um nicht zu explodieren.
»Pamela, du bist ja völlig von der Rolle! Willst du Tony umbringen? Ist es das? Du weißt ganz genau, dass er ohne seine Pillen krepiert! Die Ärzte geben ihm keine Woche mehr! Scheiße, du bist wirklich vollkommen durchgeknallt!« Er zerrt mit krummen Fingern an seinen Wangen, als wolle er sich die Haut vom Gesicht reißen. »Ich habe die Faxen jetzt endgültig satt. Heute noch rufe ich Doktor Kevorkian an und lasse Tony in ein auf solche Fälle spezialisiertes Pflegeheim einweisen. Das hätte ich besser schon vor langer Zeit getan!«
»Anthony, das tust du auf gar keinen Fall!«
»Ach nein? Und wer soll mich daran hindern? Du etwa? Geh zum Teufel!«
Fieberhaft wühlt Anthony in dem Medikamentenschrank, aus dem einige Schachteln und Pillenverpackungen herausfallen, greift nach einem Fläschchen Dexomyl, öffnet es mit zitternden Fingern, lässt drei Kapseln in seine Hand gleiten und verschluckt sie an Ort und Stelle. Dann löst er sein Telefon vom Gürtel.
»Hallo? Hier ist Anthony Fuller. Könnte ich bitte mit Dok...«
Mit weit geöffnetem Mund und hervorquellenden Augen bricht er plötzlich ab. Er ringt nach Luft, greift nach seinem Herzen ... Das Telefon gleitet ihm aus der Hand. Er sackt auf den Fliesen in sich zusammen und rempelt Pamela im Fallen an.
»Mein Gott«, schreit sie, die Hände entsetzt auf ihr Gesicht gepresst. »Tu ihm das nicht an, Tony! Nicht vor meinen Augen!«
Das Leben geht weiter
... Am heutigen Tag ereignete sich eine entsetzliche Katastrophe. Ein mehrere Dutzend Millionen Tonnen schwerer Eisblock von der Größe der Südspitze Manhattans hat sich vom Vatnajökull-Gletscher in Island gelöst und ist ins Meer gestürzt. Der Absturz hat eine Flutwelle hervorgerufen, die bereits die Färöer- und die Shetlandinseln verwüstet hat und in etwa einer Stunde die Küstengebiete Norwegens und Großbritanniens erreichen wird. Auch die Niederlande, die sich nur mit Mühe von den Auswirkungen der Deichexplosion im Oktober erholen, müssen mit schwersten Schäden rechnen. Experten gehen davon aus, dass die letzten verbleibenden Öl- und Erdgasplattformen an den Fundorten Fischer und Viking den schätzungsweise dreißig Meter hohen Wellen nicht standhalten dürften. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Letzten Schätzungen zufolge wird die Küste der Vereinigten Staaten gar nicht oder nur schwach betroffen. Dennoch wurden die Küstenbewohner aufgerufen, sich für Maßnahmen bereitzuhalten. Für alle weiteren Informationen bleiben Sie dran. CNN - Nachrichten in Echtzeit.
Fuller liegt in seinem Krankenhausbett auf der kardiologischen Abteilung des Memorial Hospital von Lawrence, Kansas, und verfolgt mit trübem Blick die Nachrichten auf CNN, dem einzigen amerikanischen Sender, der - via Maya -
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