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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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alles davongetragen, einschließlich Aneke und Kristin. Verstorben. Verstorben. Grüne Buchstaben auf einem Bildschirm ...
    Leer und ausgetrocknet findet sich Rudy inmitten dieser Todeslandschaft wieder - ohne Dramatik und ohne trauern zu können. Verdammt zum Weiterleben und besessen von einem Albtraum, den er nicht selbst erlebt hat.
    In der Tiefe seiner warmen Lederjacke beginnt das Kätzchen zu schnurren.
    Refugees.org
    Satzung für ökologische Flüchtlinge
    Beizufügende Dokumente:
    Personalausweis
    Schadensmeldung
    Rechnung (neueren Datums) eines öffentlichen Dienstleisters
    Mietvertrag (Mieter) oder Besitzurkunde (Hauseigentümer)
    letzte Einkommensteuererklärung
    letzte Gehaltsabrechnung (ggf.)
    Familienstammbuch
    Aufenthaltsgenehmigung (Ausländer)
    Bescheinigung des Arbeitgebers (bei Arbeitsplatzverlust)
    Antrag auf Anerkennung als Flüchtling (Vordruck 1024-A)
    Bankverbindung
    Überweisungsbeleg über 39,73 Euro (Antragsgebühr)
    Voraussichtliche Dauer der Antragsbearbeitung: 3 Monate
    Auch wenn die ehrenamtliche Mitarbeiterin von Refugees.org hinter einem Schalter des Bahnhofs von Lelystad sitzt - sie ist ebenso erschöpft wie die Tausende von Flutopfern, die sie den ganzen Tag an sich vorüberziehen sieht. Tausende verwüsteter Gesichter, tief gefurchter Wangen, struppiger Bärte, bleicher, schmutziger Hände und nasser Haare, die auf die Ladentheke tropfen. Tausende unvollständiger Anträge, besonderer Fälle und Ausnahmegenehmigungen. Verwirrte Alte, schreiende Babys, genervte Mütter, Männer, die vor Angst stumpfsinnig vor sich hin starren, und stumme, hektische Jugendliche. Von allen wird die ehrenamtliche Helferin behandelt, als hinge das Leben jedes Einzelnen ganz allein von ihr ab, während sie in Wirklichkeit nichts weiter tut, als sie auf provisorische Unterkünfte und Auffanglager zu verteilen. Dort erwarten sie dann ihre Anerkennung als Ökoflüchtling, die jedoch nur ganz wenige - das weiß sie - auch erhalten. Gerade erst ist sie aus Dresden gekommen, von wo sie als Verstärkung angefordert wurde. Angesichts des menschlichen Elends hat sie sich abgeschottet und ihr natürliches Mitgefühl erstickt. Ausgestreckte Hände übersieht und Tränen ignoriert sie. Sie muss so vorgehen, um ihr seelisches Gleichgewicht zu wahren und, wie von allen erwartet, einen Fels in der Brandung abzugeben. Gnade Gott denen, die es nicht schaffen, sich an diesen Felsen zu klammern.
    Sie legt den letzten Antrag in ein Körbchen mit der Aufschrift »Unvollständig« und richtet die blauen Augen auf den nächsten Antragsteller, den die drängende Menschenmenge vor ihrem Schalter stranden lässt. Es ist ein untersetzter Typ, etwa vierzig, mit glattem schwarzem Haar, runder Nase, einem länglichen Gesicht und einem Wikingerschnurrbart, der auf sein von einem Dreitagebart beschattetes Kinn hinunterfällt. Ein Ohrring ziert sein rechtes Ohr. Er trägt eine Bomberjacke aus Lammnappa mit einer deutlichen Beule in Brusthöhe. Eine Waffe? Will der Kerl sie etwa angreifen? Sie selbst hat eine solche Situation noch nicht erlebt, doch sie weiß von anderen, die sogar mit dem Leben bezahlt haben.
    Der traurige Dackelblick des Mannes jedoch straft jeden Verdacht auf Aggressivität Lügen. Aus der Beule im Blouson ertönt zunächst ein leises Miauen, und plötzlich lugt der zerzauste Kopf eines jungen Kätzchens hervor, das die Helferin von Refugees.org aus runden Augen erstaunt anschaut. Die junge Frau muss unwillkürlich lächeln. Das Kätzchen kommt ihr vor wie ein Sonnenstrahl, wie eine Insel der Zärtlichkeit in diesem endlosen Ozean aus Leid. Sie streckt die Hand aus und lässt ihre Fingerspitzen von dem kleinen Tier beschnüffeln.
    »Er heißt Moses«, erklärt der Mann. »Jedenfalls habe ich ihn so genannt, weil er aus dem Wasser gefischt wurde.« Er krault das Kätzchen zwischen den Ohren. Sofort beginnt Moses, hingebungsvoll zu schnurren. »Er ist ein Flüchtling, genau wie ich«, fügt er tonlos hinzu.
    »Richtig.« Die Ehrenamtliche besinnt sich. »Ich hoffe, Ihr Antrag ist vollständig.«
    Eins zu tausend, dass er es nicht ist. Trotz des nicht enden wollenden Ansturms ist das Körbchen mit den vollständigen Anträgen gähnend leer. Man könnte glauben, dass die kafkaeske Liste der beizufügenden Dokumente eigens erfunden wurde, um die Zahl der offiziell anerkannten Ökoflüchtlinge drastisch zu reduzieren und damit die Statistik zu schönen.
    »Sie sind Deutsche«, stellt der Mann fest, als er ihren sächsischen

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