Ödland - Thriller
ihr Zauberer, ihr Unkeuschen, ihr Mörder, ihr Götzendiener und Lügner! Weicht, ihr Dämonen! Lob, Preis und Ehre sei dir, allmächtiger Herr, der du warst und bist. Verbanne Satan in die Höllenqual, in den Feuersee, der im Schwefel brennt!«
Callaghans Beschwörungen zeigen nicht die geringste Auswirkung auf Junior, der nach wie vor krampft und zuckt, als würde er von unsichtbaren Kräften geschüttelt. Sein Gesicht verzerrt sich weiter zu den schrecklichsten Grimassen. Pamela versucht erneut, zu ihrem Sohn zu eilen, doch Nelson hält sie mit fester Hand zurück. Callaghan ruft seinen Leibwächter zu sich.
»Luke, da draußen ist jemand. Ich weiß zwar nicht, wo, aber weit kann er nicht sein. Nimm deine Leute mit, finde ihn und leg ihn um.«
»Wie sieht er aus?«
»Er ist Ausländer. Soviel ich weiß, hat er halblanges, glattes schwarzes Haar und einen hängenden Wikingerschnurrbart. Er darf nicht herkommen - auf gar keinen Fall. Hast du mich verstanden?«
Luke nickt und macht drei ebenfalls bewaffneten Aposteln ein Zeichen. Zu viert verlassen sie die Villa.
Tony hat sich inzwischen ein wenig beruhigt und ist in seinem Rollstuhl zusammengesunken. Moses kniet vor ihm nieder und fragt leise:
»Sohn Gottes, kannst du jetzt mit mir reden? Kannst du mir mehr darüber mitteilen?«
Juniors Kopf wendet sich langsam und stockend dem Reverend zu, als drehe er sich zögernd auf einer schlecht gefetteten Achse. Er sieht ihn mit seinen grauen Augen an, die aufgewühlt sind wie ein stürmischer See. Plötzlich bäumt er sich mit seinem ganzen kleinen Körper auf, wirft den Kopf nach hinten und schreit:
» Zindamba! Zindamba! Zindamba!«
Es sind die ersten Worte, die er je gesprochen hat. Aber auch die letzten.
Der bewaffnete Arm des Herrn
Ich bin vom Herrn erwählt und stehe unter seinem besonderen Schutz. Ich bin sein Wort und sein bewaffneter Arm. Ich bin der Prophet mit dem Auftrag, den zu verkünden, der nach mir kommt. Man darf mich mit Daniel oder Johannes dem Täufer vergleichen - ich schäme mich dessen nicht, denn in Wahrheit bin ich ihr wiedergeborener Geist. Wie sie bin ich unverwundbar, und kein Leid kann mir etwas anhaben, denn Gott hat mich auserwählt, sein Wort zu lehren. Wie ihnen auch hat mir ein Engel verkündet, dass die neuen Zeiten angebrochen sind. Der Antichrist und seine dekadenten Rassen werden vernichtet. Der neue Messias wird kommen, um auf der Erde die Ordnung der Gerechten einzuführen. Gott hat mir den Auftrag gegeben, seine Ankunft anzukündigen und vorzubereiten, die Spreu vom Weizen zu trennen und die Armee des Weißen Reiters zu einen, um die Horden des Teufels zu bekämpfen. Aus meinem Mund dringt ein scharfes Schwert.
Moses Callaghan,
Gott spricht zu mir (DL Publishings 2024)
Gegen vierzehn Uhr verlässt Rudy sein Hotel. Er ist mit einer Beretta 9 mm bewaffnet, die er am Morgen im örtlichen Drugstore erworben hat. Der entspannte Gang, mit dem er sich zum zweiten Mal zum Anwesen Fullers aufmacht, ist vorgetäuscht. Unterwegs wirft er verstohlene Blicke auf die an allen möglichen Stellen angebrachten Überwachungskameras: Er entdeckt sie an jeder Straßenkreuzung, über Geschäften und eingebaut in Straßenlaternen und Ampelanlagen. Auf keinen Fall ist dies der richtige Zeitpunkt, durch auffälliges Verhalten auf sich aufmerksam zu machen. Tief in seinem Innern betet Rudy darum, dass Abou jetzt wirklich bei Hadé ist und das vollendet, was sie gemeinsam geplant haben - den Geist Tony Juniors so intensiv zu beschäftigen, dass es Rudy gelingt, bis zu ihm vorzudringen. Kurz vor seinem Aufbruch hat er noch einmal versucht, Laurie anzurufen, doch sie meldete sich nicht. Wenn sie ihr Telefon ausgeschaltet hat, dann vermutlich, weil sie ebenfalls bei Hadé ist - zumindest hofft Rudy das. Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass es Abou und seiner Großmutter gelingt, den Klon außer Gefecht zu setzen oder auch nur zu erreichen. Das Ganze ist vom Zufall abhängig und basiert auf Glauben und Vertrauen, wie alles, was mit Magie zu tun hat. Weil es aber auch schon mit Fuller funktioniert hat, glaubt Rudy daran. Er will daran glauben!
Doch es gibt noch etwas, das ihn beunruhigt. In dem Café, wo er mittags ziemlich schlecht gegessen hat, flimmerte eine Sturmwarnung über den Bildschirm, die kurz vor seinem Aufbruch auf dem kleinen Fernseher in seinem Hotelzimmer wiederholt wurde. Angeblich entstanden gerade im Osten von Kansas Superzellengewitter mit einem hohen Tornadopotenzial.
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