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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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denkt Pamela lächelnd. Ihr Herz zerschmilzt und wird von einer wohligen Welle überrollt, die sie erzittern lässt. Ist das Liebe? Wieder spürt sie dieses warme Gefühl zwischen ihren Schenkeln ... Schamhaft wendet sie sich ab. Sie fühlt sich schuldig, weil sie in einem solch feierlichen Moment unreine Gedanken und den Wunsch nach Wollust verspürt. Ihr fällt der flüchtige Augenblick wieder ein, als Nelson sie bei seinem letzten Besuch in Anthonys Arbeitszimmer auf den Mund küsste. Zwar musste sie heftig gegen ihre eigenen Begierden ankämpfen, doch sie wehrte ihn ab, nahm die Hand des jungen Anwalts von ihrem Knie und zog sich in eine würdige Witwenhaltung zurück, obwohl ihr ganzer Körper brannte und schrie: Nimm mich! Nimm mich! Bruder Ezechiel ließ (leider!) sofort von ihr ab, entschuldigte sich und rechtfertigte sein Verhalten, indem er das Hohelied Salomos zitierte und ziemlich wortreich erklärte, dass Pamela als Witwe nicht mehr durch die heiligen Fesseln der Ehe gebunden sei und dass die Göttliche Legion die Wiederverheiratung von Witwen gestatte, dass es notwendig sei, die Herde des Herrn zu vergrößern, und dass der Herr Mann und Frau mit Fortpflanzungsorganen ausgestattet habe, damit man sich ihrer bediene, ohne selbstverständlich in ein ausschweifendes Leben oder gar die Prostitution abzugleiten ... Unglücklicherweise jedoch war der gnädige Augenblick verstrichen, und Bruder Ezechiel wiederholte seine Annäherungsversuche nicht.
    Callaghan akzeptiert Nelsons Argument und geht sogar selbst ins Wohnzimmer, um den frisch gebadeten und ganz in Weiß gekleideten Tony Junior zu holen. Das faltige Gesicht des Klons bleibt trotz der vielen Menschen in seinem sonst so leeren Haus starr und ausdruckslos. Nur die grauen Augen, das einzig Bewegliche in seinen eingefrorenen Zügen, mustern jeden einzelnen Anwesenden bis ins Detail und sezieren ihn mit der Genauigkeit eines Laserstrahls. Moses schiebt Juniors Rollstuhl an das eine Ende des großen Tisches, Pamela deckt den vierzehnten Teller auf und setzt sich an die Seite ihres Sohnes, um ihn zu füttern. Nach dem üblichen Tischgebet setzen sich alle. Nur der Reverend, der den Platz gegenüber dem Geheiligten Geist am anderen Ende des Tisches eingenommen hat, bleibt in seiner vollen Zweimetergröße stehen. Er breitet die Arme über Teller und Bestecke aus, nimmt eine dicke Scheibe Brot aus dem Korb, dankt Gott, bricht das Brot in vier Teile, reicht diese an seine Tischnachbarn weiter und sagt:
    »Nehmet und esst alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.«
    Anschließend schenkt er sich ein Glas Wein ein, hebt es hoch über seinen Kopf und deklamiert:
    »Nehmet und trinket daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.«
    Wie alle anderen erhält auch Pamela ein Stück Brot und einen Schluck Wein, die sie nur zögernd schluckt. Mag ja sein, dass Moses Callaghan ein Auserwählter ist, aber gibt ihm dies das Recht, sich Jesus gleichzusetzen? Nelson bemerkt ihre Unsicherheit, streicht ihr über die Hand und flüstert ihr zu:
    »Essen und trinken Sie, Schwester Salome. Heute sitzt der auferstandene Christus mit uns am Tisch. Da er jedoch nicht in der Lage ist, selbst Brot und Wein mit uns zu teilen, tut der Reverend es an seiner Stelle.«
    Gegen Ende der Pseudo-Abendmahlsfeier heftet Callaghan den Blick auf Tony Junior, der ihn seinerseits mit seinen grauen Augen fixiert. Moses nickt, breitet die Arme erneut aus und verkündet mit donnernder Stimme:
    »Brüder, ich sage euch - er ist auf dem Weg. Der Abgesandte des Teufels, der Gefolgsmann Satans ist nicht mehr fern und wird erneut versuchen, dem Leben des Auferstandenen ein Ende zu setzen. Gerade jetzt ist er dabei, die Waffen zu wetzen und die Dämonen zu rufen.« Die Anwesenden werfen sich fragende Blicke zu. »Nein«, fährt Callaghan fort, »unter uns ist kein Verräter. An diesem Tisch sitzt kein Judas. Die Gefahr kommt von draußen, aus dem Ausland, von Negern und Ungläubigen! Wir müssen doppelt wachsam sein! Aber jetzt lasst uns essen.«
    Die gesamte Tischrunde hält Callaghans Aufruf für eine Parabel oder eine generelle Warnung. Seit jeher ist der Reverend schnell bei der Hand, Schwarze, Juden oder Ungläubige anzuprangern, und nimmt gern jede Gelegenheit dazu wahr. Und so speisen sie mit gutem Appetit und loben die Hausherrin für ihre Kochkunst, woraufhin sie tief errötet. Soll sie

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