Ödland - Thriller
eine tiefblaue Fläche, die zur Mitte hin noch dunkler wird. Etwa ein See?
Er richtet sich auf und schüttelt zweifelnd den Kopf.
Fatimata zeigt auf die vielen Punkte. »Das hier ist Kongoussi. Und das dort«, sagt sie, und deutet auf den blauen Fleck, »ist der Bamsee.«
»Der Bamsee? Aber der ist doch seit zehn Jahren ausgetrocknet!«
»Nicht einfach nur ausgetrocknet. Wir haben ihn systematisch ausgebeutet, um unsere Felder zu bewässern, und der ausbleibende Regen ließ ihn schließlich versanden. Hinzu kamen die Abholzung der Uferzonen, die dadurch einsetzende Erosion und der Harmattan - alles zusammengenommen führte letztendlich dazu, dass der See im Sand versickerte. Das Wasser hat sich in tiefere Gesteinsschichten zurückgezogen. Wie das Satellitenbild zeigt, ist der See wieder zu dem Grundwasser geworden, aus dem er vor Zeiten entstanden ist.«
Coulibaly hebt die schütteren Augenbrauen und bläst überrascht die Wangen auf.
»Dieser riesenhafte blaue Fleck da soll ein Grundwasservorkommen sein?«
Fatimata nickt. Ein breites Lächeln erhellt ihr offenes Gesicht. Sie berührt eine Ecke des Bildschirms; eine Legende taucht auf.
»Das Volumen dieses unterirdischen Sees wird auf etwa 12,7 Milliarden Kubikmeter geschätzt«, liest sie ab.
Coulibaly stützt sein Doppelkinn auf beide Hände, was bei ihm immer ein Zeichen für intensives Nachdenken ist.
»Das würde ausreichend Wasser für ungefähr fünfzig Jahre bedeuten, und zwar für jeden einzelnen Einwohner dieses Landes«, sagt er langsam.
»Ich habe noch nicht nachgerechnet, aber ich glaube dir aufs Wort. Auf jeden Fall hätten wir der Trockenheit etwas entgegenzusetzen und könnten unsere gebeutelte Landwirtschaft wieder auf Vordermann bringen.«
»Und wer hat uns diese Information zukommen lassen? Etwa die Chinesen?«
Fatimata muss über den abgedroschenen Scherz lächeln. Seitdem fast alle westlichen Industrienationen - mit Ausnahme einiger nicht staatlicher Hilfsorganisationen - die Unterstützung der von der Klimakatastrophe am härtesten gebeutelten, ärmsten Länder der Welt eingestellt haben, investiert nur noch der chinesische Staat massiv in Afrika. Die Großmacht bringt nicht nur tägliche Gebrauchsgüter zu niedrigen Preisen unter das Volk, sondern errichtet Handelshäuser in Ortschaften, wo der letzte Gemischtwarenhändler an Denguefieber oder Aids gestorben ist, stellt »unentgeltliche« Ausrüstungen und »ehrenamtliche« Techniker zur Verfügung, hat ein billiges Datennetz aufgebaut und besetzt so diskret, aber sicher jedes Feld des afrikanischen Schachbretts nach und nach mit seinen Spielsteinen. Alles, was von anderswo kommt und entweder umsonst oder nicht teuer ist, stammt mit ziemlicher Sicherheit aus China. Daher hat es sich eingebürgert, bei jeder kleinen Dreingabe auf die frugale Alltäglichkeit zu sagen: »Das kommt bestimmt von den Chinesen.«
»Diesmal nicht. Ich habe sie auf der Homepage von ... SOS Europa gefunden.«
Fatimata hat kurz gezögert, ehe sie den Namen ausgesprochen hat. Es ist ihr unangenehm, vor Issa zuzugeben, dass sie bei den Hilfsorganisationen betteln gehen muss, doch er steigt nicht weiter darauf ein.
»Aber auch die müssen sie ja irgendwoher haben. Diese Art Information gehört ganz bestimmt nicht zu denen, die für jedermann umsonst zu haben sind, sondern...«
Die Präsidentin weiß durchaus um die Schwächen ihres Premierministers - es vergeht kein Tag, an dem sich nicht ein weibliches Mitglied des Personals im Präsidentenpalast über ihn beschwert -, doch sie kennt auch seine Qualitäten: messerscharfe Analysen und blitzschnelle Folgerungen, mit denen er so gut wie immer richtig liegt. Mit dem Finger zeigt sie auf die winzigen Zeilen unter der Kartenlegende:
Originalbild, entwendet aus dem Satelliten Mole-Eye 2AC von GeoWatch.
Eingestuft als »Geheime Ressource«.
Geknackt und entschlüsselt von Truth.
Ein Geschenk der Erde
SAVE OURSELVES
»Wenn dein Nachbar Hunger hat, gib ihm keinen Fisch,
sondern zeig ihm, wie man angelt.« (Sprichwort von der Elfenbeinküste)
Sie haben ein Projekt?
Wir helfen bei der Durchführung.
Die Berater für die Planer
Von: Fatimata Konaté
An: Markus Schumacher
Datum: 25.10. 2030 - 15:53 GMT
Verschlüsselt - Höchste Sicherheitsstufe
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Lieber Markus,
vielleicht erinnern Sie sich meiner nicht, nachdem Sie wahrscheinlich täglich von Katastrophenopfern und Benachteiligten mit Beschlag belegt werden.
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