Ödland - Thriller
tut.«
»Wir Fullers bauen mit eigenen Händen an der Zukunft Amerikas, Lawson«, explodiert Anthony. »Wir Fullers investieren in leistungsfähige Institute, die Kansas weiterbringen, und nicht in irgendwelche Pennernester mitten in der Wüste! Und ich verbiete Ihnen, meinen Sohn während seiner eigenen Trauerfeier zu beleidigen!«
Alle Köpfe wenden sich seiner Donnerstimme zu. Lawson verkriecht sich immer tiefer in seinen mausgrauen Anzug.
»Aber ich habe ihn nicht ...«, beginnt er.
Er beendet den Satz jedoch nicht, sondern dreht sich auf dem Absatz um und eilt aus dem Krematorium. Weil zum wiederholten Mal alle Blicke auf ihm ruhen, zieht Fuller es vor, ihm zu folgen. Er fühlt sich so nervös, dass er am liebsten eine Zigarette rauchen würde. Schade, dass Tabak im gesamten Bundesstaat verboten ist. Außerdem hat er seit seinen verrückten Studententagen in Harvard nicht mehr geraucht. Mit der Hand umschließt er die Schachtel Calmoxan in seiner Hosentasche, wagt jedoch nicht, eine zweite Pille zu nehmen - er muss schließlich noch arbeiten.
Mit spöttisch verzogenen Lippen sieht er zu, wie Lawson auf dem mit anämischen Bäumen bepflanzten Parkplatz in einen alten, auf Ethanol umgerüsteten Chevrolet steigt und nach einigen Startschwierigkeiten über die 1420. Straße Nord auf den Ausgang der Enklave zuholpert. Na, dann viel Glück bei der Heimfahrt, denkt Fuller. Den K10 Highway darf Lawson mit der alten Schrottschleuder nicht befahren; er wird also wohl oder übel mit der 442 und der US 24 vorliebnehmen müssen. Diese Straßen sind allerdings in einem so jämmerlichen Zustand, dass Lawson für die hundertfünfzig Kilometer mindestens drei Stunden brauchen dürfte. Außerdem liegen ein paar Outer-Nester an der Strecke, und er muss durch das Gebiet der Shawnees, die Bleichgesichtern gegenüber nicht gerade freundlich gesinnt sind und gern auch mal ein Lösegeld erpressen. Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt, um herzukommen, wird Fuller mit einem Mal klar. Und ich weiß noch nicht einmal, was er eigentlich wollte.
Sein Blick schweift über die unbewegliche Landschaft, die wie eine Kulisse unter einem eintönig weißen Himmel daliegt. Der mit kränklichen Bäumen und vertrockneten Blumen bepflanzte Friedhof, dessen Rasenfläche - es handelt sich um Evergreen© von Universal Seed™ - in einem satten Veronesergrün prunkt, ist von ausgedörrten Feldern umgeben, die sanft zum Bett des Wakarusa abfallen. Der ehemalige Fluss ist zu einem brackigen, zwischen Steinen dahinsickernden Rinnsal geworden. An seinem Ufer entlang verläuft die Grenze der Enklave, die von einer fünfzehn Meter hohen, aus einem eigenen Fusionskraftwerk gespeisten Plasmawand umschlossen wird. Ein doppelter, mit allen nur denkbaren Alarmen gesicherter Stacheldrahtzaun verbarrikadiert vonseiten der Enklave den Zugang zur Grenze. Wer der Plasmawand nämlich zu nahe kommt, wird mit 40 000 Volt bei lebendigem Leib geröstet. Der einzige Schwachpunkt der Festung ist die Ausfahrt der K10, die von zwei Maschinengewehren, einem Raketenwerfer, einer Radaranlage und einer rund um die Uhr präsenten Patrouille der Eudora Civic Corp. bewacht wird. Das Leben in Eudora ist friedlich und vermittelt immer noch den Eindruck von Reichtum und Sorglosigkeit. Die Frage ist allerdings, wie lange noch. Als Fuller genauer hinsieht, muss er feststellen, dass das Moderkraut, eine sich mit virenartiger Geschwindigkeit ausbreitende Grasart, die sich aus transgenen Kulturen entwickelt hat und allen Unkrautvernichtungsmitteln widersteht, es tatsächlich geschafft hat, die Plasmawand zu durchbrechen und seine hässlich graugrünen Kissen immer weiter auszubreiten. Eines Tages wird wohl ganz Kansas unter dem Kraut ersticken. Fuller seufzt entmutigt. Ob es irgendwann gelingen wird, die Schranke wieder zu schließen und die Irrtümer vergangener Jahrzehnte zu reparieren? Oder ist die viel gerühmte Kreativität der Amerikaner nichts als eine verzweifelte Flucht nach vorn - eine Flucht in die Wüste?
Das Auftauchen seiner Frau in der offenen Säulenhalle vor dem Eingang des Krematoriums unterbricht Anthonys desillusionierten Gedankengang. Pamela trägt Wilburs Urne noch immer so, als ob sie einen wertvollen Schatz enthielte, und trotz der Prozac4, mit denen sie sich zweifellos vollgestopft hat, schäumt sie vor Wut.
»Na toll !«, zischt sie ihn an. »Super-Vorstellung! Ich nehme an, du bist richtig stolz auf dich.« Tränen schießen ihr in die Augen. »Mein Gott, was
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