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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Issa ruhig anvertrauen.«
    In der Hoffnung, einen tieferen Einblick in den Ausschnitt von Yéris Boubou zu erhaschen, beugt er sich über den Schreibtisch. Angewidert schiebt Yéri ihren Stuhl zurück. Während sie sich noch fragt, wie sie den Schleimer loswerden soll, öffnet sich die Tür hinter ihr, und eine sehr erregte Fatimata stürzt ins Vorzimmer. Hastig steht Coulibaly auf. Sein Schweiß fließt in Strömen.
    »Ach, Issa, gut, dass du da bist.«
    »Was soll das heißen: gut, dass ich da bin? Darf ich dich daran erinnern, dass wir einen Termin hatten?« Wieder hebt er sein Aktenköfferchen. »Das Außenhandelsdefizit...«
    »Vergiss das Außenhandelsdefizit! Es gibt ein innenpolitisches Wunder!«
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Komm einfach mit!«
    Fatimata führt den Premierminister in ihr Büro, das nur unwesentlich kühler ist als der Backofen, in dem die Sekretärin den ganzen Tag ergeben vor sich hin röstet. Energiesparmaßnahmen. Als die Tür sich hinter dem aufdringlichen Coulibaly schließt, der wie ein braves Hündchen hinter der Präsidentin hertrottet, stößt Yéri einen erleichterten Seufzer aus.
    Nie käme es dem Don Juan der Ministerien in den Sinn, auch nur den Versuch zu wagen, die Präsidentin zu bezirzen, obwohl die üppige Vierzigerin seinem Schönheitsideal weitaus mehr entspricht als die magere Yéri. Fatimata flößt ihm Respekt ein. Sie verfügt über die ruhige Kraft großer Baobab-Bäume, die sich in ihrem langsamen, aber unbeirrbaren Wachstum durch nichts behindern lassen. Seit zwei Jahren steht sie an der Spitze des Landes und hat es trotz der Trockenheit, des allgemeinen Mangels, der Epidemien, der Landflucht und der immer knapper werdenden internationalen Hilfe mit einer geradezu heroischen Kraftanstrengung geschafft, dass Burkina Faso noch immer nicht im Sand untergegangen ist. Sie ist die Tochter des Nationalhelden Alpha Konaté , dessen Ruhm dem von Thomas Sankara in nichts nachsteht. Konaté hat das Land aus dem »ultraliberalen Teufelskreis« befreit, eine stabile Wirtschaft etabliert und wurde bei dem Putsch im Jahre 2011 feige ermordet. Sein Geist lebte in der Politik von Amadou Diallo weiter, dessen Partei zunächst dreiundzwanzig korrupte Militärs absetzte, ehe sie Fatimata zur Premierministerin wählte. Die historische Tragweite und die geistige Größe des naaba Konaté haben sich auf seine Tochter vererbt. Und die geschichtliche Weiterentwicklung des Landes, an der Issa Coulibaly teilhaben darf, setzt sich trotz der immensen Schwierigkeiten fort.
    Das geräumige, luftige Büro der Präsidentin befindet sich im Herzen des Präsidentenpalastes. Nachdem der alte Palast bei den Bränden anlässlich der Volkserhebung des Jahres 2023 vollständig niederbrannte, hat man ihn im neosudanesischen Stil wiederaufgebaut. Zwar ist das Büro ausgesprochen spartanisch möbliert, doch verfügt es über einen kaum ein Jahr alten Quantum Physics Computer, der mit intermolekularen Quantenverbindungen arbeitet. Auch wenn das Land zu den ärmsten der Welt gehört, ist es sich schuldig, unter Anwendung modernster Technik mit ebendieser Welt in Verbindung zu bleiben; die Zeiten des Kupferdrahts und der Brieftauben sind nun einmal vorbei, und ohne Kommunikationsmöglichkeiten würde man endgültig im Dunkel der Geschichte verschwinden.
    Der Quantum Physics besteht aus einem eleganten, durchsichtigen Touchscreen, der in einen Rahmen aus Okoume-Holz eingelassen ist, sowie einer holografisch auf die Arbeitsfläche des Schreibtischs projizierten Tastatur. Ihr sanft rosiger, elektronischer Schimmer kämpft vergeblich gegen die glühenden Sonnenstrahlen an, die durch die Ritzen der geschlossenen Fensterläden dringen. An der Decke röchelt eine Klimaanlage, ohne der Wüstenhitze Herr werden zu können.
    »Was siehst du?«
    Mit gerunzelten Augenbrauen studiert Coulibaly den Bildschirm. Dabei wischt er sich mit einem derart penetrant nach Kölnischwasser duftenden Seidentuch über die Stirn, dass Fatimata unwillkürlich einen Schritt zurückweicht.
    »Es scheint eine Art Satellitenbild zu sein.«
    »Richtig. Aber weißt du auch, was es darstellt?«
    Der Premierminister unterzieht das Bild einer genaueren Betrachtung. Er erkennt eine hügelige, in Falschfarben dargestellte Halbwüste, die von Isobaren durchzogen und mit Flecken in merkwürdigen Farben übersät ist, deren Bedeutung ihm nicht klar ist. In der Nähe einer Ansammlung von Punkten, die wahrscheinlich eine Siedlung darstellt, findet sich

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