Ödland - Thriller
passieren.
Aber das wird sich ändern, jubelt Anthony innerlich. Seit einigen Tagen besitzt er in einem afrikanischen Land, dessen Namen er immer wieder vergisst, einen unterirdischen See, wie es ihn im Mittleren Westen nirgendwo mehr gibt und der aus ihm den König des Wassers und aus Kansas einen blühenden Agrarstaat machen wird. Die Water Union wird ihm aus der Hand fressen, doch sie wird nur einen winzigen Happen abbekommen, ehe er aus dem Unternehmen die achtunddreißigste Tochtergesellschaft von Resourcing macht. Ein nicht zu verachtender Bonus! Das muss ich unbedingt mit Sam besprechen. Aber vielleicht sollten wir erst einmal herausfinden, wie weit wir in der Sache überhaupt sind. Erneut öffnet er den Minicomputer von Nokia, dieses Mal, um anzurufen.
»Du isst ja gar nicht«, stellt Pamela fest.
Er schaut sie an, als bemerke er erst jetzt, dass sie da ist, senkt den Blick auf sein kalt gewordenes Chili und schiebt den Teller zurück.
»Kein Hunger.«
In Wahrheit gewinnt der Dämon des Handels gerade wieder die Oberhand. Fuller will die Sache mit dem unterirdischen See so schnell wie möglich in trockene Tücher bekommen.
»Du denkst an Wilbur, nicht wahr? Er fehlt, findest du nicht?«
»Nein.«
Wilbur, den er allenfalls als Parasit empfunden hat, ist nun wirklich das Letzte, was ihm in den Sinn gekommen wäre. Anthony wirft einen flüchtigen Blick auf die schwarze Plastikurne, die auf dem Kaminsims aus Carraramarmor im Wohnzimmer steht, wie es sich gehört. Die beiden Kerzen rechts und links werden jeden Abend angezündet. Was für eine Geschmacksverirrung! Am liebsten hätte er den ganzen Kram in den Müll geworfen.
»Wie kannst du nur so etwas sagen?«, empört sich Pamela schlaff. Das Prozac4, das sie zu Beginn der Mahlzeit eingenommen hat, wirkt bereits.
»Ich sage genau, was ich denke. Das Leben geht weiter, Pamela. Ich muss an unsere Zukunft und an die unseres Landes denken. Mir stehen wichtige Entscheidungen bevor, die mich weitaus mehr beschäftigen als das Gedenken an Wilbur. Tut mir leid.« Er steht auf. »Im Übrigen habe ich zu arbeiten.«
In diesem Augenblick kommt Consuela aus der Küche. Sie schiebt Tony Juniors Rollstuhl vor sich her. O Scheiße, stöhnt Anthony innerlich auf und verzieht das Gesicht. Die Betreuerin füttert den Junior in der Küche, weil sein Sabbern kein sehr angenehmer Anblick ist. Doch Pamela hat verfügt, dass der Junge am Ende der Mahlzeit teilzunehmen hat, wenn sein Vater zu Hause speist, was selten genug der Fall ist. Auf diese Weise sehen sich Vater und Sohn wenigstens von Zeit zu Zeit.
Anthony setzt sich wieder und verwandelt seine Grimasse in ein möglichst herzliches Lächeln.
»Grüß dich, Junior, wie geht's, wie steht's? Ich glaube, wir haben uns heute noch gar nicht gesehen.«
Tony lässt seinen erloschenen Blick über Anthony hinweggleiten und heftet ihn auf Pamela. Pamela windet sich unbehaglich auf ihrem Stuhl. Sie ist wütend.
»Natürlich nicht. Du tust doch alles, um ihm aus dem Weg zu gehen.«
»Pamela, bitte, fangen wir nicht wieder davon an. Junior muss nichts von unseren ...«
»Hi«, sagt Junior. Aus dem Mund sickert ihm ein Speichelfaden, den Consuela eilig fortwischt.
»Er möchte, dass wir ihm den Fernseher einschalten, nicht wahr, mein Liebling?« Pamela lächelt das unbewegliche, verrunzelte Gesicht an, als wäre Tony Junior das schönste Kind der Welt. »Du schaust doch so gern Fernsehen, mein Kleiner.«
»Hör endlich auf, mit ihm wie mit einem Kleinkind zu reden. Er ist immerhin fünfzehn.«
»Sie können abräumen, Consuela. Wir sind fertig.«
Pamela schiebt den Rollstuhl vor den zwei mal drei Meter großen holografischen Bildschirm, der, von Bücherregalen umrahmt, den hinteren Teil des Wohnzimmers einnimmt. Sie berührt die Fernbedienung, die auf dem niedrigen Beistelltisch aus Chinalack liegt. Das Gerät erkennt ihren Fingerabdruck und stellt sich automatisch auf Love Me Tender ein, einen Kanal, der ausschließlich Liebesfilme zeigt. Mit einem erleichterten Seufzer lässt Pamela sich in die Polster eines mit sibirischem Bärenfell bezogenen Sofas sinken und widmet sich dem Geschehen von Passion Lovers. Auf dem Yakteppich im Wohnzimmer küssen sich John Coriusco und Sherri Lee in Nahaufnahme und dreidimensional.
»Na wunderbar, die zwei kriegen sich also«, kommentiert sie zufrieden. »Consuela, wären Sie bitte so nett, uns den Kaffee hierhin zu bringen?«
Sofort wittert Fuller seine Fluchtmöglichkeit.
»Meinen
Weitere Kostenlose Bücher