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Öffne deine Seele (German Edition)

Öffne deine Seele (German Edition)

Titel: Öffne deine Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Sieverstedt anscheinend auch.
    Warum wählen Menschen sich die Finger wund, um einen Marius an den Hörer zu kriegen, anstatt abends einfach mal einen Moment abzupassen, mit einer Flasche Wein, und zu sagen: Liebling, da ist was, über das wir reden müssen?
    Was erwarten wir? Was für einem Versprechen gehen wir auf den Leim? Wollen wir die Menschen, die wir lieben, schonen – oder uns selbst?
    Oder ist es tückischer: Glauben wir, dass uns ein Wildfremder, der einzig und allein unsere Sichtweise der Geschichte erfährt, nicht mit den zigtausend Kleinigkeiten und Widersprüchen konfrontiert, die wir von demjenigen zu hören bekämen, den die Sache wirklich angeht?
    Suchen wir tatsächlich nach einer Lösung? Oder suchen wir eine Entschuldigung, damit wir guten Gewissens weitermachen können wie bisher?
    Vor Maffredos Trattoria, unserem Stammlokal, einen Steinwurf von Hagenbecks Tierpark entfernt, brachte ich den Wagen zum Stehen.
    Dennis saß bereits an unserem Tisch vor dem Fenster, den Blick konzentriert in die Karte vertieft.
    Er sah müde aus, gestresst, ohne dass ich sagen konnte, aus welchem Grund – doch das spielte auch keine Rolle.
    Sobald ich das Lokal betrat, würde er sich verwandeln, würde zu meinem Leuchtturm in der Brandung werden, wenn die Gischt der Ermittlungen über meinem Kopf zusammenschlug.
    Die tückische Strömung, weit unter der Oberfläche, die unermüdlich an seinen Fundamenten nagte, würde er nicht zur Kenntnis nehmen.
    Wir mussten reden.
    Aber nicht heute.
    ***
    «Hier im Web haben sie nur die Kurzfassung eingestellt», erklärte Winterfeldt, während er sich durch die Internetseite von Kanal Neun klickte. «Doch ich denke, Sie bekommen auch so einen Eindruck …»
    Es war fünfzehn Uhr. Albrecht hatte seine Ermittlerrunde von neuem im Besprechungsraum versammelt.
    Hannah Friedrichs hatte einen kurzen Bericht über ihren Besuch bei Falk Sieverstedts letzter Freundin abgeliefert, der Hauptkommissar selbst hatte Martin Eulers bisherige Erkenntnisse referiert.
    Wenn man in diesem Fall überhaupt von Erkenntnissen sprechen konnte.
    Wir wissen, dass wir nichts wissen.
    Der Unterschied war, dass nun auch die Presse Bescheid wusste.
    Ungnädig blickte Albrecht auf die Leinwand.
    Seit Jahren lieferten sich die privaten Fernsehanstalten ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Gunst des Publikums, und immer wieder aufs Neue gelang es ihnen, sich im Appell an die niedrigsten menschlichen Instinkte zu unterbieten. Nachvollziehbar, dass sie diese Bemühungen auf das Medium Internet ausgedehnt hatten.
    «Das Feature nennt sich immer noch Stahmkes Skandale », murmelte Winterfeldt und nickte zu dem Schriftzug, mit dem die Sektion der Webseite überschrieben war. «Wobei die echte Margit Stahmke inzwischen ja tot ist. Sina Dewies war ihre Assistentin und hat ihr in den letzten Jahren zugearbeitet. Jetzt, wo sie selbst die Leitung der Redaktion übernommen hat, hat sie ein paar Neuerungen eingeführt. Aus besonderem Anlass lädt sie Studiogäste ein und …»
    «Fangen Sie schon an!», knurrte Albrecht.
    «Gut, gut.» Winterfeldt klickte mit der Maus auf ein Symbol.
    Eine junge Frau hinter einem Moderationstisch. Blond. Sehr blond. Alles drum herum war ausgesprochen knallig, im Hintergrund das Wappen der Freien und Hansestadt Hamburg mit der dreitürmigen Torfassade, um die in diesem Fall ein …
    Albrecht kniff die Augen zusammen.
    Ein gezeichneter Vogel lugte um die Fassade, schwarz und weiß gescheckt. Eine neugierige Elster?
    Ausgeschlossen, dachte Albrecht. Es musste ein Geier sein.
    Ein Aasgeier.
    «Ich bin Sina Dewies.» Die junge Frau blickte in die Kamera, mit dem nur denkbar kürzesten und unverbindlichsten Lächeln. «Erfahren Sie nun in unserem Sonderfeature alle wichtigen Neuigkeiten zum tragischen Tod einer der schillerndsten Persönlichkeiten der Hamburger Gesellschaft.»
    Die Kamera fuhr zurück. Neben Dewies wurde ein Schwarz-Weiß-Foto Falk Sieverstedts eingeblendet.
    Für eine halbe Sekunde gestattete sich Albrecht ein Aufatmen. Der Junge sah sympathisch aus auf dem Foto: breites Lächeln, offener Blick in die Kamera, die Smokingfliege gelöst.
    Der Hauptkommissar wusste, nach welchen Kriterien die Boulevardmedien solche Fotos auswählten. Ein übernächtigter und unrasierter Prominenter transportierte eine ganz andere Botschaft als eine neutrale oder gar sympathische Aufnahme.
    Manipulation der Fernsehgemeinde, dachte er. Grundkurs, erste Lehrstunde.
    Die Wahl eines freundlichen Fotos

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