Öffne deine Seele (German Edition)
hatte.»
Der Hauptkommissar nickte, Daumen und Zeigefinger an der Nasenwurzel.
Es gab wenig, das er Friedrich Sieverstedt nicht zutraute, doch die Verachtung, mit der er über den Jungen gesprochen hatte, war auf jeden Fall echt gewesen. Schwer vorstellbar, dass er auch nur den Versuch unternommen haben sollte, ihn mit einer Aufgabe in seinem Familienunternehmen zu betrauen.
Keine Spur. Nirgends.
Ausgenommen …
Albrecht blickte auf, suchte Friedrichs.
«Was hat Ihnen das Mädchen erzählt? Falks persönliches künstlerisches Faible?»
Die Kommissarin kniff die Augen zusammen, doch im nächsten Moment sah er, dass sie seinen Gedanken erfasste.
«Er hat fotografiert», murmelte sie.
«Haben Sie in seiner Wohnung eine Fotoausrüstung gesehen?»
Friedrichs schüttelte ohne Zögern den Kopf. «Sie waren ja selbst dabei: Wir haben nicht eben jede einzelne Sockenschublade durchwühlt, aber wie Yvette sich angehört hat, hat er schon ziemlich professionell fotografiert. Also kaum eine einfache Pocketkamera oder so was. Wir hätten was finden müssen.»
«Er muss die Ausrüstung dabeigehabt haben», murmelte Albrecht. «Am Samstagabend, als er das Haus verließ. Der Wagen …»
«Ich hab ständig ein Auge drauf.» Hinnerk Hansen war wie üblich der Entspannteste in der Runde. Ein Klackern, als er eine seiner Salmiakpastillen von einer Wange in die andere schob. «Bisher nicht aufgetaucht. Sein Handy versuchen wir weiterhin zu orten, aber offenbar ist es noch immer ausgestellt.»
«Kaum zu erwarten, dass der Täter uns den Gefallen tut, es wieder zu aktivieren», brummte Albrecht. «Aber irgendwo muss der Wagen sein. Und mit dem Wagen die Fotoausrüstung.»
«Der Rechner.» Hannah Friedrichs drehte sich zu Winterfeldt um. «Mit Sicherheit hat Falk die Bilder irgendwo gespeichert.»
Ein vage unappetitliches Geräusch ertönte, als sich der Computermensch eine Haarsträhne aus der Stirn pustete.
«Den hab ich mir erst ganz kurz vornehmen können. An einen Fotoordner kann ich mich grad nicht erinnern, aber die könnten genauso gut irgendwo in der Cloud liegen.»
«Wo?» Jörg Albrecht hatte Wochen gebraucht, bis ihm klargeworden war, dass der junge Mann nicht deswegen so sprach, wie er sprach, weil er seinen Vorgesetzten um den Verstand bringen wollte, sondern weil er … weil er eben Winterfeldt war und auf einem eigenen, vorzugsweise virtuellen Planeten lebte.
«Im Internet», half Friedrichs. «An einer Stelle, wo nur er allein rankommt.»
«Wenn er das von seinem Rechner aus gemacht hat, krieg ich das wahrscheinlich früher oder später raus», sagte Winterfeldt zögernd. «Aber das kann ein bisschen dauern.»
«Schalten Sie das aus!» Albrecht wies auf den Laptop.
Das Standbild auf der Leinwand – Dewies, die Aufnahme des Kastenwagens und die beiden distinguierten Herren – erlosch.
Mit einem Ruck zog Albrecht das Whiteboard wieder an den Platz, der ihm gebührte: an die Stirnseite des Raumes.
Wer?
Warum?
«Der Rechner hat von nun an absolute Priorität», wandte er sich an Winterfeldt. «Alles andere stellen Sie zurück. Suchen Sie die Fotos, prüfen Sie die sozialen Netzwerke. Was die bunten Blätter über den Jungen geschrieben haben, ist eine Sache. Was er diesem Marius erzählt hat, eine völlig andere. Ich will wissen, was für ein Mensch er wirklich war. Hannah?»
Fragend sah die Kommissarin ihn an.
«Wie weit sind Sie mit diesem Marius?»
Friedrichs fuhr sich über die Lippen.
«Kein Problem.» Albrecht ließ sie nicht zu Wort kommen. Er kannte seine Mitarbeiter, und er hatte nicht verlernt, in ihnen zu lesen. «Sie waren bei der Freundin, und es war richtig, dass Sie sich das als Erstes vorgenommen haben. Doch ich will wissen, was dieser Fernsehmensch weiß. In unserem Ausschnitt hat Sieverstedt einen zweiten Anruf angekündigt. Ist dieser Anruf erfolgt? Wenn ja: Worüber haben die beiden gesprochen? Sind Namen gefallen?»
«Ich … ich setz mich gleich dran», versprach die Kommissarin. «Sobald ich eine andere Nummer hab als diejenige, die in der Sendung eingeblendet wird.»
«Gut.» Der Hauptkommissar nickte, im Begriff, sich umzuwenden. Doch dann, einer Eingebung folgend: «Nein», sagte er langsam. «Nein.» Und mit einem Mal war er sich vollständig sicher.
«Das Telefon, Hannah, ist das ureigenste Medium dieses Mannes. Eine Waffe, an der er sich jeden Abend zur besten Sendezeit übt. Wir wissen nichts über diesen Marius …» Albrecht sah, wie Lehmann den Mund
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