Öffne die Augen: Thriller (German Edition)
zu Zeit auf«, stellte Lucie fest. » Bei Subliminals?«
» Genau. Ich habe es gemessen. Jedes Aufleuchten entspricht einem versteckten Bild. Im Moment handelt es sich um das Lustzentrum. Sie können sich sicher vorstellen, warum. Die nackte Schauspielerin in gewagten sexuellen Posen. Die behandschuhten Hände, die ihren Körper streicheln.«
Es war Lucie peinlich, in die Intimsphäre ihres Vorgesetzten einzudringen. Der Hautkommissar ahnte nicht, dass er in diesem Augenblick Subliminalbilder der unbekleideten Darstellerin sah. Und noch weniger, dass sein Gehirn Lust empfand und vielleicht körperliche Reaktionen auslösen könnte.
Der digitalisierte Film lief weiter. Lucie erinnerte sich an das, was ihr Claude Poignet im Bildbetrachter gezeigt hatte. Bald kämen die Subliminals anderer Art: der verstümmelte Körper der Schauspielerin im Gras und auf ihrem Bauch die große Wunde in Form eines Auges. Beckers’ Finger wanderte über den Monitor.
» Da ist es. Die in den anscheinend ruhigen Szenen versteckten, schockierenden Bilder sind aufgetaucht. Bis jetzt ist die Abfolge logisch. Aber warten wir noch ein bisschen…«
Der Schwarz-Weiß-Film war erst zu drei Viertel abgelaufen. Das Mädchen saß im Gras und streichelte eine Katze, noch immer umgeben von dem sonderbaren Nebel, der sich vom Himmel herabsenkte. Eine neutrale Szene, die keine Emotionen wecken sollte.
» Es geht los… Das Gehirn sendet auch außerhalb der versteckten Bilder, für die ich Timecodes gesetzt habe, aufgeregte Signale aus. Der Organismus bereitet sich auf eine heftige Reaktion vor. Das ist das Unbehagen, welches Sie beim Sichten des Films verspürt haben. Der Wunsch, zu fliehen und alles abzubrechen.«
Lange vor der Szene mit dem Stier explodierten die Farben in Kashmarecks Gehirn förmlich. Es blinkte überall. Nach wenigen Sekunden kehrte es zu einer normalen Aktivität zurück. Beckers wedelte mit seinen Notizen.
» Die Reaktion auf die brutalen Bilder tritt genau nach elf Minuten und drei Sekunden ein. Aber in diesem Filmabschnitt gibt es keine Subliminals, die in das Original eingefügt wurden. Weder die nackte noch die verstümmelte Frau. Nichts.«
» Was ist es dann?«
» Ein höchst ausgeklügeltes Verfahren versteckter Bilder, die aus Überlagerung, Kontrasten und Licht resultieren. Ich denke, die Subliminals und der weiße Kreis oben rechts sollen uns nur in die Irre führen. Sie sind etwas Vordergründiges, das die wahre verborgene Nachricht kaschieren soll. Unbewusst wird das Auge ständig von diesem Störfaktor angezogen, mit dem Ziel zu verhindern, dass man sich zu sehr auf die anderen Bildelemente konzentriert und die Strategie durchschaut. Der Cineast hat eine Vorsichtsmaßnahme ergriffen, um sogar besonders aufmerksame Zuschauer zu täuschen.«
» Zeigen Sie mir diese Bilder.«
» Warten wir auf den Hauptkommissar.«
Lucie konnte nicht umhin, sich noch einmal die Szene mit dem Stier anzusehen, während Beckers vor einem anderen Computer Platz nahm. Die Polizistin bekam Gänsehaut, vor allem bei der Großaufnahme von den Augen des Kindes– der kalte, gefühllose Blick. Wie der einer antiken Statue.
Einige Minuten später kam Kashmareck zu ihnen. Er war so weiß wie die Röhre des f MRT .
» Merkwürdiger Film«, war das Einzige, was er sagte. Auch er war aufgewühlt, manipuliert und schockiert und suchte vermutlich nach einer Erklärung dafür. Beckers fasste kurz zusammen, was er Lucie erklärt hatte, und tippte auf seiner Tastatur. Ein Videobearbeitungsprogramm öffnete sich. Der Wissenschaftler kopierte den digitalisierten Film und ließ ihn bis zur elften Minute vorlaufen. Eine Abfolge einzelner, fast identischer Bilder war zu sehen, so wie bei Filmmaterial, das man vor einer Lampe betrachtete. Mit dem Cursor deutete Beckers auf eine Zone links unten im Bild.
» Diesmal ist es in den Bereichen mit schwachem Kontrast verborgen. Im Nebel, im schwarzen Himmel, im Dunkel, omnipräsent im ganzen Film. Ein visueller Trick, der unserem Regisseur die Möglichkeit gibt, eine Geheimsprache einzuführen.«
Während seiner Erklärung ließ er den Cursor schnell über den Bildschirm gleiten.
» Wenn Sie sich das Bild anschauen, was sehen Sie dann? Ein Mädchen, das im Gras sitzt und eine Katze streichelt. Rundherum wieder dieser Nebel und dunkle Bereiche an den Seiten und am Himmel. Wenn Sie nicht wissen, dass es etwas zu suchen gibt, stellen Sie keine Besonderheit fest. So ist es Claude ergangen, der sich nur auf
Weitere Kostenlose Bücher