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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ihn eine Privatkabine reserviert. Die Frau mit den veränderten Lidern saß während der ganzen schnellen Fahrt neben ihm. Etliche Male versuchte Mondschein, ihr Fragen zu stellen; aber wenn überhaupt, antwortete sie nur mit einem Achselzucken.
    Der Schnellgleiter landete wieder in der Tarrytown-Station. Eine Uhr wies Mondschein darauf hin, daß heute Mittwoch, der 13. März 2095 war und daß es 07.05 Uhr östlicher Standardzeit war. Er erinnerte sich sehr genau daran, daß es später Dienstagnachmittag gewesen war, als er todunglücklich von der Kirche nach Hause gegangen war, nachdem er wegen dieser Sache mit seiner Versetzung nach Santa Fe seinen Anschiß empfangen hatte. Ungefähr 16.30 Uhr mußte es gewesen sein. Irgendwo hatte er die ganze Dienstagnacht und ein großes Stück vom Mittwochmorgen verloren, alles in allem etwa fünfzehn Stunden.
    Als sie den großen Wartesaal betraten, flüsterte die schlanke Frau an seiner Seite: „Gehen Sie in den Waschraum. Dritte Kabine. Wechseln Sie dort Ihre Kleider.“
    Nahezu aufgelöst gehorchte Mondschein. Auf dem Toilettensitz lag ein Paket. Er öffnete es und entdeckte darin seine indigoblaue Altardienerrobe. Rasch entledigte er sich der grünen Kleidung und zog seine eigene an. Die Gesichtsmaske fiel ihm noch ein, und er streifte auch sie ab und schleuderte sie weg. Er packte die grüne Robe zusammen, und da er nicht wußte, wohin damit, ließ er sie in der Zelle liegen.
    Als er nach draußen trat, näherte sich ihm ein dunkelhaariger Mann in mittleren Jahren. Er streckte dem jungen Mann die Hand entgegen.
    „Altardiener Mondschein!“
    „Ja?“ sagte Mondschein. Er erkannte den Mann zwar nicht, schüttelte ihm aber trotzdem die Hand.
    „Haben Sie gut geschlafen?“
    „Ich … oh, ja“, sagte Mondschein. „Sehr gut sogar.“ Die beiden wechselten noch ein paar Blicke, und plötzlich erinnerte sich der Altardiener nicht mehr daran, warum er in den Waschraum gegangen war … noch was er darin getan hatte … noch daß er eine grüne Robe und eine thermoplastische Gesichtsmaske während des Flugs von einem Land getragen hatte, wo Arabisch die Amtssprache war … noch daß er überhaupt in einem anderen Land gewesen war – und erst recht wußte er nicht, daß er vor wenigen Stunden noch völlig verwirrt einer Nichts-Kammer entstiegen war.
    Er glaubte jetzt vielmehr, eine sehr gemütliche Nacht bei sich zu Hause verbracht zu haben, in seiner eigenen, wenig aufregenden Wohnung. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, was er zu dieser frühen Morgenstunde in der Tarrytown-Schnellgleiterstation verloren hatte; aber das war noch ein verhältnismäßig kleineres Rätsel und bedurfte im Moment keiner Klärung.
    Er entdeckte, daß er ungewöhnlich hungrig war. Mondschein kaufte sich am Speiseautomaten in der unteren Etage der Station ein reichhaltiges Frühstück. Flink putzte er es auf. Gegen acht befand er sich wieder in der N’York-Kirche der Bruderschaft der Immanenten Strahlung und war bereit, bei der morgendlichen Andacht seinen Dienst zu tun.
    Bruder Langholt begrüßte ihn herzlich. „Hat unser gestriges kleines Gespräch dich sehr beunruhigt, Mondschein?“
    „Ich habe mich jetzt wieder gefangen.“
    „Fein, fein. Du darfst dich nicht von deinem Ehrgeiz übermannen lassen, Mondschein. Alles kommt zu seiner Zeit. Möchtest du wohl den Stand der Gammastrahlen im Reaktor überprüfen?“
    „Aber natürlich, Bruder.“
    Mondschein trat auf den Altar zu. Das Blaue Feuer kam ihm wie ein starker Hort der Sicherheit in einer aus den Angeln gehobenen Welt vor. Der Altardiener nahm den Gammastrahlenanzeiger aus seiner Schachtel und verrichtete weiter seine allmorgendlichen Pflichten.

 
5
     
     
     
    Die Nachricht über seine Berufung nach Santa Fe traf drei Wochen später ein. Wie ein Donnerschlag krachte sie auf die N’York-Kirche hinab, durchfuhr schön der Reihe nach eine Autoritätsebene nach der anderen, bis sie schließlich ganz unten auch Altardiener Mondschein erreichte.
    Einer von Mondscheins Mit-Altardienern brachte ihm – auf indirekte Weise – die Nachricht bei: „Du wirst in Bruder Langholts Büro erwartet, Chris. Inspektor Kirby ist da.“
    Mondschein fuhr zusammen. „Was ist denn los? Ich habe nichts angestellt – jedenfalls nichts, von dem ich weiß.“
    „Ich glaube auch nicht, daß du in Schwierigkeiten steckst. Es ist etwas ganz Enormes, Chris. Alle laufen wie aufgescheuchte Hühner herum. Es ist, glaube ich, irgendeine Anordnung aus

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