Öffnet den Himmel
in den Gleiter. Capodimonte ließ ihn an, und er brauste los.
„Zum ersten Mal hier?“ fragte er.
„Ja“, sagte Mondschein. „Ich bin sehr beeindruckt von der hiesigen Landschaft.“
„Wunderbares Fleckchen, was? Hier macht das Leben Spaß. Hier bekommt man einen Eindruck vom Raum vermittelt. Und von der Geschichte: überall in der Gegend stehen prähistorische Ruinen herum. Nachdem du dich eingelebt hast, können wir ja mal einen Ausflug zum Frijoles-Canon machen und uns bei den Höhlenwohnungen umsehen. Interessiert dich so etwas, Mondschein?“
„Ich kenne mich auf diesem Gebiet nicht sehr gut aus“, gab er zu. „Aber es würde mich freuen, so etwas einmal zu sehen.“
„Was ist denn dein Spezialgebiet?“
„Nukleonik“, sagte Mondschein. „Ich bin eine Art Kernverschmelzungsspezialist.“
„Ich war Anthropologe, bevor ich der Bruderschaft beitrat. Meine knappe Freizeit verbringe ich am liebsten in den Pueblos. Es gibt einem eine ganze Menge, gelegentlich einen Ausflug in die Vergangenheit zu machen. Besonders hier draußen, wo um einen herum die Zukunft in wahnsinnigem Tempo voranschreitet.“
„Anscheinend hat man hier wirklich Fortschritte gemacht, was?“
Capodimonte nickte. „Wie man mir erzählte, geht es überall recht zufriedenstellend voran. Natürlich bin ich keiner von den Insidern. Als Insider kommt man nicht oft dazu, das Zentrum zu verlassen. Aber aus dem, was ich so mitbekommen habe, passieren hier bedeutende Sachen. Sieh mal dort hinüber, Bruder – das ist Santa Fe. Wir fahren gerade daran vorbei.“
Mondschein sah hin. Altmodisch war der Begriff, der ihm unwillkürlich einfiel. Die Stadt wirkte mäßig, sowohl in ihrer Fläche als auch in den Ausmaßen ihrer Gebäude; nirgends schien ein Haus mehr als drei oder vier Stockwerke zu haben. Selbst aus dieser Entfernung konnte Mondschein das staubige Rotbraun der luftgetrockneten Ziegelsteine ausmachen.
„Ich habe Santa Fe eigentlich für viel größer gehalten“, sagte Mondschein.
„Man hat diese Gegend abgeriegelt; von wegen Erhalt historischer Stätten und so weiter. Man hat es ziemlich so belassen, wie es vor hundert Jahren schon ausgesehen hat. Keine neuen Bauten sind erlaubt.“
Mondschein runzelte die Stirn. „Und was ist mit dem Zentrum und seinen Labors?“
„Oh, die befinden sich nicht eigentlich in Santa Fe. Das ist nur die am nächsten liegende Stadt. In Wahrheit liegt das Zentrum etwa vierzig Meilen nördlich von Santa Fe“, sagte Capodimonte. „Dort oben, am Rand des Picuri-Landes. Weißt du, da laufen immer noch ’ne Menge Indianer rum.“
Die Straße führte jetzt bergauf. Der Gleiter wogte auf und ab über die Straße, die durch die Hügellandschaft führte. Die Vegetation veränderte sich; die knorrigen, verdrehten Wacholderbüsche und Pinon-Fichten machten dunklen Wäldern aus Douglas-Tannen und Ponderosas Platz. Mondschein konnte es immer noch kaum glauben, daß er in einigen Augenblicken im genetischen Zentrum eintreffen sollte. Na bitte, sagte er sich, da haben wir es mal wieder. Der einzige Weg, um in dieser Welt voranzukommen, war, sich nichts gefallen zu lassen und sich lautstark bemerkbar zu machen.
Er hatte sich bemerkbar gemacht. Man hatte ihn zwar dafür zurechtgewiesen, aber schließlich hatte man ihn nach Santa Fe geschickt.
Ewig leben! Man gab seinen Körper in die Hände von Wissenschaftlern, die sich unweigerlich dem Ziel näherten, jede Zelle durch eine andere ersetzen und die Jugend erhalten zu können. Mondschein wußte genau, woran in diesem Zentrum gearbeitet wurde. Natürlich standen ein paar Risiken im Weg, na wenn schon, wen störte das? Im schlimmsten Fall würde er sterben – doch das entsprach nur dem natürlichen Lauf der Dinge, nach dem er ohnehin sterben mußte. Auf der anderen Seite aber konnte er einer derjenigen sein, die auserwählt wurden.
Ein Tor ragte vor ihnen auf. Das Sonnenlicht glänzte wild auf dem Metall.
„Wir sind da“, kündigte Capodimonte an.
Das Tor öffnete sich.
Mondschein sagte: „Werde ich nicht irgendwie noch von einem Esper durchleuchtet, bevor man mich hereinläßt?“
Capodimonte lachte. „Bruder Mondschein, du bist während der ganzen letzten Viertelstunde durchleuchtet worden. Falls ein Grund bestanden hätte, dich nicht einzulassen, würde das Tor sich jetzt nicht öffnen. Entspanne dich. Und sei uns willkommen. Du hast es geschafft.“
6
Der offizielle Name des Ortes lautete: Noel Vorst-Zentrum für
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