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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Lotussitz in einer Ecke des Raums nieder und sah Mondschein nicht an. Der Altardiener wartete unruhig.
    Er war vorher schon Espern begegnet. Mittlerweile gab es eine gehörige Menge von ihnen; nach Jahren des Zweifels und der Unwissenheit waren ihre Fähigkeiten vor mehr als einem Jahrhundert erkannt und herausgefiltert worden, und eine nicht unbeträchtliche Anzahl von geplanten Esperheiraten hatte ihre Zahl noch weiter anwachsen lassen. Ihre Fähigkeiten erwiesen sich jedoch immer noch als unberechenbar. Die meisten Esper besaßen nur eine geringe Kontrolle über ihre PSI-Kräfte. Davon abgesehen waren sie instabile Persönlichkeiten, im allgemeinen sehr nervös, und oft verfielen sie unter Streß dem Wahnsinn. Mondschein gefiel die Vorstellung gar nicht, in einem fensterlosen Raum mit einem psychopathischen Esper eingesperrt zu sein.
    Und was, wenn der Esper bösartig veranlagt war? Was, wenn er, statt lediglich eine partielle Amnesie zu bewirken, beschlossen hatte, lieber die ganze Erinnerungsstruktur in seinem Gehirn umzumodeln? Es wäre ja immerhin möglich, daß …
    „Sie können jetzt wieder aufstehen“, sagte der Esper barsch. „Alles erledigt.“
    „Was haben Sie gemacht?“ fragte Mondschein.
    Der Esper lachte triumphierend. „Das brauchen Sie nicht zu wissen, Sie Einfaltspinsel. Es ist erledigt und damit in Ordnung.“
    Die Wand öffnete sich ein zweites Mal. Der Esper verschwand. Mondschein stand auf und fühlte sich auf merkwürdige Weise leer. Schwermütig fragte er sich, wo er war und was hier mit ihm geschah. Er war auf dem Gleitband nach Hause gefahren, ein Mann hatte ihn angerempelt und dann …
    Eine schlanke Frau mit unglaublichen Wangenknochen und Lidern aus glitzernder Platinfolie sagte: „Hier entlang bitte.“
    „Warum sollte ich?“
    „Vertrauen Sie mir. Kommen Sie hier entlang mit.“
    Mondschein seufzte und ließ sich von ihr einen schmalen Korridor zu einem anderen Raum führen, der bunt gestrichen und hell war. Ein sargförmiger Metalltank stand an einer Seite. Mondschein erkannte ihn natürlich sofort: ein Gerät, das einem die sinnlichen Wahrnehmungen nahm, eine Nichts-Kammer, in dem der Benutzer in einem warmen Nährbad schwamm; Sicht und Hörvermögen waren ihm genommen, die Schwerkraft war für ihn ausgeschaltet. Die Nichts-Kammer war ein Mittel zur absoluten Entspannung. Sie hatte aber auch ihre unangenehmen Seiten: Wer zu lange in der Nichts-Kammer blieb, wurde willenlos und ließ sich sehr leicht beeinflussen.
    „Ziehen Sie sich aus und steigen Sie hinein“, sagte die Frau.
    „Und wenn nicht?“
    „Ihnen bleibt keine Wahl.“
    „Und wie lange bleibe ich drin?“
    „Zweieinhalb Stunden.“
    „Das ist zu lange“, sagte Mondschein. „Tut mir leid, ich fühle mich gar nicht so gestreßt. Würden Sie mir bitte den Ausgang zeigen?“
    Die Frau nickte. Ein Roboter rollte ins Zimmer; er hatte eine stumpfe Nase und war in einem häßlichen, dumpfen Schwarz gestrichen. Mondschein war noch nie zuvor gegen einen Roboter angetreten, und er sah diesen Moment auch nicht als den geeignetsten an, damit zu beginnen. Die Frau deutete noch einmal auf die Nichts-Kammer.
    Das muß ein Alptraum sein, sagte sich Mondschein, ein sehr schlimmer Alptraum.
    Er begann, sich auszuziehen. Von der Nichts-Kammer her summte es zum Zeichen, daß sie betriebsbereit war. Mondschein kletterte in den Tank und ließ sich von der Nährflüssigkeit überströmen. Er konnte nichts mehr sehen. Er konnte nichts mehr hören. Eine Leitung versorgte ihn mit Luft. Mondschein glitt in eine totale Passivität ab. Das Bündel der Ambitionen, Konflikte, Träume, Schuldgefühle, Lüste und Vorstellungen, aus dem Christopher Mondscheins Verstand sich zusammensetzte, löste sich für eine gewisse Zeit auf.
    Zur rechten Zeit erwachte er wieder. Man nahm ihn aus dem Tank – seine Beine waren wie Butter, und sie mußten ihn stützen – und gab ihm seine Kleidung wieder. Ihm fiel auf, daß seine Robe die falsche Farbe besaß: sie war grün, die Farbe der Häretiker. Wie war denn das wohl zu erklären? Wollte man ihn mit Gewalt in die Harmonistenbewegung pressen? Er hütete sich jedoch, Fragen zu stellen. Man setzte ihm jetzt eine thermoplastische Maske aufs Gesicht. Aha, anscheinend soll ich inkognito reisen.
    Nach kurzer Zeit befand sich Mondschein wieder in einer Schnellgleiter-Station. Verdutzt bemerkte er arabische Schriftzeichen auf den Hinweistafeln. Kairo, fragte er sich. Algier? Beirut? Mekka?
    Man hatte für

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