Öl!
irgendeinem Grund lief es nicht so, die Kapitalisten waren kleinlich und fantasielos. Ein paar Tage später erfuhr Bunny, dass Rachel sich in einem ernsten Dilemma befand. In den vier Jahren an der Universität hatte sie das Berufsziel «Sozialarbeiterin» vor Augen gehabt, doch jetzt hatte eine Freundin, auf deren Rat sie viel gab, sie gewarnt, durch ihr Engagement bei diesen Ypsels verspiele sie alle Chancen. Einen Beruf zu ergreifen sei schon schwer genug für ein jüdisches Mädchen aus der Arbeiterklasse, auch ohne die zusätzliche Erschwernis des Sozialismus. Rachel solle zumindest warten, bis sie eine Stelle gefunden und sich Ansehen verschafft habe.
Also wieder neue Schwierigkeiten! Was Rachel zu tun gedenke? Sie werde ihre geliebten Jungsozialisten nicht im Stich lassen, antwortete sie. Warten – das sei leicht gesagt, aber so begännen alle Kompromisse, und wenn man damit einmal anfange, wisse man nicht mehr, wo man aufhören solle. Nein, Rachel gehe das Risiko ein, dass es bei den Ypsels eine Razzia gäbe oder die Zeitungen sie als Verschwörungszirkel anprangerten, der die Moral der Jugend untergrabe! Wenn ihre Freundin recht behalte und die Bourgeoisie sie nicht als Verteilerin ihrer Wohltaten haben wolle, werde sie Arbeit in der Gewerkschaftsbewegung finden. Und Bunny ging, denn er hatte eine Verabredung mit Vee Tracy zu einer Dinnerparty; er ging mit ernstem Gesicht und aufgewühltem Gewissen und war nicht gerissen genug, das eine wie das andere zu überspielen.
10
Die Abschlussprüfungen rückten näher, und die Seniors standen vor der Aufgabe, ihren Beruf zu wählen. Dad fragte Bunny, ob er sich schon entschieden habe, und Bunny antwortete: «Ja. Aber ich sage es nicht gern, Dad, denn es wird dich unglücklich machen.»
«Was ist es denn, mein Junge?» Ein sorgenvoller Ausdruck lag auf dem runden, schon tief zerfurchten Gesicht des alten Mannes.
«Ich möchte für ein Jahr weggehen und mir unter einem anderen Namen einen Job als Arbeiter in der Großindustrie suchen.»
«Du lieber Gott!» Eine Pause trat ein, als Dad in die bekümmerten Augen seines Sohnes blickte. «Wozu denn das?»
«Ich will die Arbeiter verstehen, und das ist der einzige Weg dorthin.»
«Kannst du sie denn nicht nach dem fragen, was du wissen willst?»
«Nein, Dad, sie wissen es ja selbst nicht – oder nur vage. Es ist etwas, was man am eigenen Leib erfahren muss.»
«Herr im Himmel, Sohn, lass dir doch helfen! Ich hab es mitgemacht. Es bedeutet nix wie Dreck, Ungeziefer und Krankheit. Ich hab gedacht, ich bewahr dich davor, ich wollt, dass du’s mal leichter hast!»
«Ich weiß, Dad, aber das ist ein Irrtum. Es funktioniert nicht so, wie du gedacht hast. Wenn man einem jungen Menschen das Leben zu leicht macht, wird er lasch und hat keinen eigenen Willen. Ich weiß, was du getan hast, und bin dir sehr dankbar dafür, aber ich muss eine Zeit lang etwas anderes ausprobieren.»
«Und du meinst, in dem Beruf, wenn man einen Ölkonzern führt, gibt’s nix, was schwer genug ist für dich?»
«Vielleicht, Dad, wenn ich ihn wirklich führen könnte. Aber du weißt, das kann ich nicht. Das ist deine Sache; und selbst wenn du mir die Führung übergeben würdest, ließen Verne und der Unternehmerverband mich nicht tun, was ich tun will. Nein, Dad, an der Ölindustrie ist von Grund auf etwas faul, und ich kann da niemals mitspielen. Ich will fort und auf eigene Faust etwas versuchen.»
«Hast du vor, allein loszuziehen?»
«Es gibt noch einen Mann, der so etwas plant, wir gehen zusammen. Gregor Nikolajew.»
«Dieser Russe! Hast du keinen Amerikaner gefunden?»
«Wie’s der Zufall will, Dad, sind die Amerikaner nicht daran interessiert.»
Es entstand eine lange Pause. «Und du meinst es wirklich ernst?»
«Ja, Dad, ich habe es mir fest vorgenommen.»
«Du weißt, mein Sohn, in den meisten großen Industriezweigen weht ein ziemlich rauer Wind. Manchmal werden Männer schwer verletzt, manche sogar getötet.»
«Ja, genau darum geht es.»
«Das ist ziemlich hart für einen Vater, der nur einen Sohn hat und große Pläne für ihn hatte. Du weißt, ich halte viel von dir, das ist der Hauptgrund, warum ich so schwer gearbeitet habe.»
«Ich weiß, Dad, und glaube nicht, dass mir das keinen Kummer gemacht hat, aber ich kann nicht anders.»
Wieder eine Pause. «Hast du an Vee gedacht?»
«Ja.»
«Hast du es ihr gesagt?»
«Nein. Das habe ich vor mir hergeschoben, genau wie bei dir. Sie wird es nicht hinnehmen. Ich
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