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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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seiner Krankheit hatte Dad alle derartigen Probleme Verne überlassen. Der Kongress hatte Ferien, und das bedeutete eine gewisse Atempause; in ihren Heimatstaaten mochten die Roten aus dem Senat die Ölpachtverträge anprangern, aber die Zeitungen mussten nicht mehr drucken, was sie sagten. Ein merkwürdiger Aberglaube: Selbst die seriösesten Zeitungen meinten alles erwähnen zu müssen, was im Kongress gesagt wurde. Doch genau solche Sachen brachten die Politik bei den Geschäftsleuten in Misskredit.
    Die Bohrungen auf dem Sunnyside-Gelände waren in vollem Gange. Ein Dutzend Bohrlöcher sprudelten schon und erfüllten alle Erwartungen. Manchmal ließ sich Dad ins Büro fahren, aber meistens kamen die klugen jungen Angestellten zu ihm nach Hause, saßen im Arbeitszimmer und nahmen Befehle entgegen. So adrette, tüchtige junge Männer, die all ihr Talent darauf konzentrierten, Öl aus dem Boden zu holen! Weder von Utopien geplagt noch von Einflüsterungen heimgesucht, kannten sie kein Zaudern, keine Unsicherheit, keinen Zweifel daran, dass es der Sinn des menschlichen Daseins war, Öl aus dem Boden zu holen! Sie behielten einen klaren Kopf, leiteten ihre Abteilungen, steigerten ihr Ansehen und ihr Gehalt; und wenn einer von ihnen ausschied, schwebte zwischen Dad und seinem Sohn eine unausgesprochene Traurigkeit. Warum konnte Bunny nicht so sein wie der junge Simmons oder der junge Heimann oder der junge Bolling?
    2
    Der Arzt hatte gesagt, Dad dürfe sich nicht länger als zwei Stunden am Tag mit geschäftlichen Angelegenheiten befassen; deshalb entführte ihn Bunny oft auf einen Spaziergang, einen sehr langsamen, und wenn sie dann durch die Straßen schlenderten, hörten sie manchmal Eli predigen; das lenkte Dad immer ab und brachte ihn zum Lachen. Er empfand eine Art boshafter Freude, wenn er den glorreichen Aufstieg der Dritten Offenbarung beobachtete; bewies es doch, dass die Massen schwachsinnig waren und man richtig handelte, wenn man ihnen die Ölreserven der Marine abnahm! Dad hatte die kleine Zeitung eines rivalisierenden Religionsschaumschlägers aus Angel City abonniert, in der Eli angeprangert und seine Betrügereien entlarvt wurden.
    Die großen Kirchen waren eifersüchtig auf diese neue Offenbarung, die so ungestüm über sie hereingebrochen war. Eli war ein Emporkömmling und Scharlatan, und sein pastoraler Rivale Tom Poober behauptete, viele seiner angeblichen Heilungen seien vorgetäuscht, er bezahle Leute, damit sie aufstünden und berichteten, ihre gelähmten Glieder seien geheilt oder der Krebs verschwunden. Außerdem hätten Elis Jünger nicht ganz auf ihr Wälzen und Zungenreden verzichten wollen, Eli habe im Tempel mehrere schalldichte Räume einbauen müssen, wo sie diese Rituale vollziehen könnten. «Wartesäle» nannten sie die, denn sie gingen dorthin, um «Jesus zu erwarten», und wenn alles so richtig in Fahrt kam, wälzten sich hundert Männer und Frauen auf dem Boden, betatschten einander und rissen sich die Kleider vom Leib. Da warf eine Frau den Kopf zurück oder sprang ein paar Fuß weit, mal in die eine Richtung, mal in die andere, wie ein Huhn, dem man den Kopf abgeschnitten hatte. Die Orgien endeten damit, dass ein ganzer Knäuel menschlicher Geschöpfe übereinandergetürmt dalag, sich windend und krümmend und umweht von einem Schweißgeruch, dass einem ganz schlecht werden konnte.
    Reverend Poober gab solche Nachrichten in Druck und ließ sein Blättchen von Zeitungsjungen vor dem Tempel verkaufen. Die Jungen wurden überfallen und verprügelt, doch die Polizei nahm die Angreifer nicht fest, oder wenn doch, ließ sie sie gleich wieder laufen. Hatten die Politiker in Angel City etwa Angst vor der Macht dieses falschen Propheten?, fragte Tom Poober in Großbuchstaben, und Dad lachte in sich hinein, so wie jener Pionier im Westen, der heimkam, seine Frau in einem Handgemenge mit einem Bären antraf, sein Gewehr gegen den Zaun lehnte, sich hinsetzte und rief: «Hau drauf, Frau! Nur zu, Bär!»
    Ein weiterer Vorwurf lautete, der Prophet suche die Gesellschaft von hübschen jungen Frauen. Das war eine böse Unterstellung, denn Eli verurteilte Unzucht und Ehebruch aufs Schärfste, nicht weniger als die hebräischen Propheten der Ersten Offenbarung. Dad kicherte und stellte Vermutungen an, bis eines Tages er und Bunny einen langen Ausflug machten und an einem einsamen Strand hielten, weil sie nach einer Stelle suchten, wo Bunny schwimmen konnte. Nah am Wasser stand ein billiges Hotel,

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