Öl-Connection
diese Papiere – mit Ausnahme der korrekten europäischen und amerikanischen Häfen –, die Hauptsache ist, daß Sie heil im Hafen angekommen sind. Ich hatte mal einen Öltransport in die Karibik – der Teufel soll mich holen, wenn ich den Namen der Insel nenne –, und fünf Meilen vor dem Hafen kommt das Kontrollboot an Bord und der nette Beamte sagt mit größter Freundlichkeit zu mir: ›Sir, ich bekomme tausend Dollar ohne Quittung von Ihnen und alles ist okay!‹ So läuft das im Kleinen, Heßbach. Im Großen … oje! Da geht es nicht um tausend Dollar, da geht es um Millionen Dollar. Hat man Ihnen schon erzählt, daß über sechzig Prozent der Welt-Tankerflotte knapp zweihundert unabhängigen Reedereien gehören, die eine verschworene Connection bilden und sich vor allen Gesetzen, Mahnungen, Empfehlungen und butterweichen Vorschriften abschotten? Es gibt Reedereien, die bis zu fünfzig Tanker besitzen und sich von keinem reinreden lassen. Aber auch die sogenannten seriösen Reeder haben das Ausflaggen entdeckt: Allein ein Drittel der Tankertonnage ist heute in Liberia und Panama registriert, im sogenannten offenen Register, wo sie tun und lassen können, was sie wollen … vom Zertifikatsbetrug bis zu einer Seemannschaft, die nur weiß, daß das Meer aus Wasser besteht. Ich glaube, daß Sie mit Jesus Malinga Bouto, Ludwig Sasa Müller II und Jassa Abdaman bereits genug erlebt haben.«
»Das stimmt.« Heßbach wischte sich über das Gesicht. Er schwitzte plötzlich, obgleich es auf der Brücke angenehm kühl war. »Ich habe also eine schwimmende Zeitbombe übernommen?«
»Das würde ich nicht so hart sehen, Heßbach. Bisher ist die Maringo immer noch am Ziel angekommen. Die alte Dame ist rüstig! Und wenn sie später in Rotterdam wirklich ins Dock geht und überholt wird … ja, Sie wissen, was ich meine. Na ja, das kostet Geld, und Bouto ist keiner, der Geld für etwas ausgibt, was nicht unbedingt nötig ist. Das hängt von Ihnen ab, Heßbach. Wenn Sie das Schiff in anständigem Zustand in Rotterdam einlaufen lassen, kann es sein, daß Bouto gleich den nächsten Öltransport mit ihr durchführt.«
»Ich werde den Sicherheitsbehörden von Holland einen Tip geben!« sagte Heßbach entschlossen. »In diese Schweinerei will ich nicht hineingezogen werden.«
»Dann bemühen Sie sich schnell um einen anderen Beruf. Als Kapitän wird Sie kein Reeder mehr einstellen. Das ist Ihr Seemannstod! Es sei denn, Sie wollen eine Fähre über den Bosporus fahren. Heßbach, seien Sie kein Idiot … es nutzt gar nichts. Ich warne Sie. Ich kenne die Branche zu gut. Maul halten und Geld verdienen, daran sollten Sie denken.« Teo Fransakiris räusperte sich. »Noch einmal, Kollege: Viel, viel Glück! Ich werde ab und zu an Sie denken.« Es knackte in der Leitung, Fransakiris wartete keine Antwort mehr ab. Nachdenklich legte Heßbach auf. Von der Mannschaftsmesse kam Jules Dumarche zurück. Er hatte die Musterung der Mannschaft im Eiltempo hinter sich gebracht. Mit einem Seufzer aus tiefer Brust setzte er sich.
»Alles in Ordnung?« fragte Heßbach ahnungsvoll.
»Ja, Herr Kapitän.« Es klang nicht sehr überzeugend.
»Was haben Sie für einen Eindruck von der Mannschaft?«
»Erstaunlich guter Durchschnitt.«
»Was soll das heißen?«
»Ich habe schon anderes erlebt. Die Kerle sehen zwar wild aus, aber sie sind willig. Das ist wichtig.«
»Ihr Ausbildungsstand?«
»Sagen wir: Lassen wir uns überraschen.« Dumarche lächelte verhalten. »Sie sind den Kerlen ein Rätsel. Auf einem Tanker eine weiße Uniform, das haben sie noch nie gesehen. Ein Ghanaer fragte mich: ›Ist er ein Bischof? Fährt die Kirche jetzt einen Tanker?‹ Und ein Inder sagte: ›Nicht einen Fleck hat er auf dem Weiß! Schwebt er über das Schiff?‹ Ich glaube, wenn Sie mit dem kleinen Finger wackeln, fallen alle auf die Knie.«
Sie lachten kurz über diesen Gedanken und Heßbach wollte über sein Gespräch mit Fransakiris berichten, als der Philippino mit dem vernarbten Gesicht eintrat. Er stellte sich an das Steuerpult und blickte stumm über das riesige Deck mit den vielen Rohren, den Pumpen, Entlüftungen und Ventilen und dann hinaus in das schmutzige Hafenwasser.
»An dich habe ich gerade gedacht«, sagte Heßbach und stellte sich neben den Steuermaat. »Wie heißt du?«
»Sato Franco, Sir.« Der Philippino blickte weiter starr geradeaus.
»Ein merkwürdiger Name für einen Philippino.«
»Ja, Sir. Mein Großvater war Japaner, mein Vater
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