Öl-Connection
zurück. Das Gesicht des Koreaners war wie eine Maske, als er wieder vor Heßbach stand. Er vermied es, ihm in die Augen zu sehen.
»Na, was hat Müller II gesagt?« fragte Heßbach. »Kommt er?«
»Nein, Käpt'n.«
»Nicht? Warum nicht? Was hat er gesagt? Wiederhole.«
»Ich … ich kann das nicht wiederholen, Kapitän.« Der Koreaner senkte den Kopf. »Es geht nicht …«
»Sei nicht kindisch! Was hat Müller II gesagt?«
»Soll ich wirklich …« Der Koreaner atmete tief auf.
»Ja!«
»Er sagte …« Er zögerte wieder und überwand sich endlich, es zu sagen. »Er schrie ins Telefon: ›Fuck your mother !‹ Da habe ich das Gespräch beendet, Sir.«
Heßbach war keineswegs getroffen. Was Ludwig Sasa Müller II da gesagt hatte, gehörte zum Stammvokabular aller Seeleute jeder Hautfarbe. Es drückte die tiefste Mißachtung aus, die überhaupt möglich war.
»Ich werde selbst mit Müller II sprechen«, sagte Heßbach und wandte sich wieder der Mannschaft zu. »Ihr könnt eure Kammern beziehen. In einer Stunde kommt jeder zu mir in die Mannschaftsmesse, einzeln und mit seinen Seefahrtspapieren.«
Er grüßte und ging hinüber zu den Deckshäusern. Er hörte nur, wie McCracker brüllte: »Wegtreten!« und gleich darauf: »Du auch, Donc, du Eselschwanz!« Was Donc antwortete, hörte er nicht mehr … Er stieg hinauf in seine Logis und ließ über die Funkstation eine Verbindung zum Heuerbüro von Monrovia herstellen. Als hätte Müller II schon darauf gewartet, war er sofort am Telefon.
»Ich höre!« rief er aggressiv. »Was haben Sie mir zu sagen, Käpt'n?«
»Zunächst: Ihrer Aufforderung fuck your mother kann ich nicht nachkommen, meine Mutter ist vor fünf Jahren gestorben. Aber Sie Saukerl leben noch, und hoffentlich leben Sie noch, wenn ich wieder nach Liberia zurückkomme.«
»Ist das eine Drohung, Sir?«
»Eine Ankündigung! Sie haben mir vier Mann zu wenig geschickt!«
»Anordnung der Reederei. Konzentration aufs Wesentliche. Rationalisierung der Arbeit.«
»Und aus welchen Müllhalden haben Sie meine Mannschaft ausgegraben?«
»Es waren die besten von denen, die sich gemeldet haben, Kapitän. Alles Spezialisten.«
»Im Saufen und Huren, das mag sein. Ich lehne es ab, mit dieser minderwertigen und verwahrlosten Mannschaft zu fahren.«
»Wir haben nicht mehr und nicht andere. Was verlangen Sie eigentlich, Käpt'n?«
»200.000 Tonnen Öl nach Rotterdam zu bringen ist eine ernste Sache und kein Abenteuer.«
»Jede Fahrt auf See ist ein Abenteuer, Sir. Jeder will heil am Zielhafen ankommen, ob allein oder mit 200.000 Tonnen Öl. Es gibt da keinen Unterschied. Warum reden wir überhaupt? Ich kann Ihnen nicht helfen. Gute Fahrt, Käpt'n.«
»Eins haben Sie, außer Ihrer geraden Nase, von Ihrem Großvater aus Preußen geerbt: Die Sturheit deutscher Beamter! Dazu die liberianische Mentalität … Das ist eine unübertreffliche Mischung!«
»Das Gespräch ist zu Ende!« Müller II schnaufte in die Hörmuschel, dann knackte es, er hatte aufgelegt. Auch Heßbach ließ den Hörer auf die Gabel fallen und trat an das große Fenster. Zweihundert Millionen Liter Rohöl. Damit konnte man bei einer Havarie in Küstennähe ein ganzes Land vernichten. Für alle Zeiten eine tote Küste.
Heßbach zog die Schultern hoch. Ein Schaudern überzog seinen Rücken und dann das Gefühl absoluter Einsamkeit. Er schrak auf, als es an der Tür klopfte. Der Erste Offizier Jules Dumarche trat ein. Er trug keine Tropenuniform, aber immerhin eine weiße Hose und ein weißes Hemd mit kurzen Ärmeln.
»Kommen Sie rein, Jules«, rief Heßbach und deutete auf einen Sessel. »Nehmen Sie Platz. Was trinken Sie? Whisky, Gin, Wodka, Kognak, Ouzo, Pernod … es ist alles da. Mein Vorgänger, Teo Fransakiris, hat gut vorgesorgt.«
»Wenn ich wählen darf – einen Pernod bitte.«
»Natürlich, als Franzose. Wie konnte ich fragen?« Heßbach ging zu dem Kühlschrank, holte den Pernod, eisgekühltes Wasser und für sich den Wodka heraus und füllte die Gläser. »Sind Sie zufrieden mit Ihrem Quartier? Die Offiziersräume sind die einzigen sauberen auf dem Schiff.«
»Die Kabine ist in Ordnung. Mein Vorgänger als Erster war ein Deutscher. Er hat mir einen Brief hinterlassen: ›Lieber Kamerad, ich wünsche Ihnen viel Glück auf Ihrer Fahrt. Und: Ärgern Sie sich nicht, wenn es einmal knüppeldicke kommt … es geht vorbei, es lohnt sich nicht, seine Nerven zu verlieren. Das Leben geht weiter, ob beschissen oder nicht. Machen Sie
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