Öl-Connection
Dumarche sarkastisch. »Und Ihre weiße Uniform erzeugt noch mehr Verwunderung.«
»Du brauchst nicht stramm zu stehen«, Heßbach merkte, wie der Philippino aufatmete. »Angeheuert als was?« Heßbach blätterte in der Mannschaftsliste, die den Schiffspapieren beigefügt war. »Stimmt das? Steuermannsmaat?«
»Ja, Käpt'n.«
»Zeig dein Steuermannspatent.«
»Ich habe kein Patent, Käpt'n.« Der Philippino streckte beide Hände vor, als wolle er damit sagen: Sieh dir die Hände an. Sie wissen, wie man mit Steuerrad und Ruder umgeht. »Aber ich stehe seit neun Jahren am Ruder. Ich bin sogar vor fünf Jahren die Maringo gefahren. Ich kenne mich aus.«
»Wenn das keine Empfehlung ist …« warf Dumarche spöttisch ein. »Wie ist es mit Radar?«
»Kann ich natürlich lesen, Sir.«
»Autopilot?«
»Keine Schwierigkeit, Sir.«
»Navigation?«
»Ist Ihre Sache, Sir.« Der Philippino grinste. »Die Angaben kommen immer von den Offizieren. Ich steuere den Kurs, der vorgegeben wird. Ist das heute anders?«
»Nein.« Heßbach betrachtete den Mann kritisch. »Woher hast du die Narben im Gesicht?«
»Eine kleine Auseinandersetzung mit zwei Chinesen, Käpt'n. Vor drei Jahren in Kowloon.«
»Die haben dich aber gründlich erwischt.«
»Aber sie hatten keine Freude daran … sie sind tot.«
Heßbach spürte wieder das Kribbeln im Nacken, das er beim ersten Anblick seiner Mannschaft schon empfunden hatte. Soll ich weiter fragen? Das ist der erste Mörder, den ich an Bord habe, und er wird neben mir auf der Brücke stehen und das Ruder bedienen! Wer weiß, was noch dabei ist? Noch mehr Mörder oder Straßenräuber oder Diebe, auf jeden Fall Ganoven, für die ein Schiff auf Großer Fahrt das beste Versteck ist. Müller II … und du bist der größte Halunke! Ich ahne, daß du die Heuerliste gefälscht hast und vom Lohn dieser Bande vielleicht zwanzig Prozent für dich zurückbehältst. Und das von jeder Mannschaft der Schiffe, die dich mit dem Anheuern beauftragen. Da kommt eine Menge Dollars zusammen, mit denen man sich am Rande von Monrovia eine schöne Villa in einem blühenden Garten leisten kann.
Heßbach erhob sich und klopfte Dumarche auf die Schulter.
»Machen Sie weiter, Jules«, sagte er. »Ich muß mich um die Bordbücher meiner Vorgänger kümmern. Wie Sie sehen – Sie müssen sich gewöhnen, neben sich auf der Brücke einen Doppelmörder zu haben. Guten Morgen.«
»Guten Morgen, Sir!« entgegnete Dumarche sauer. »Ich bin vieles gewöhnt …«
Heßbach verließ die Mannschaftsmesse und stieg hinauf auf die Brücke. Dort war er jetzt allein, ein Kapitän mit einem Riesenschiff und zwanzig Millionen Litern Öl an Bord, das in wenigen Stunden Monrovia verlassen sollte, um die Tanks in Rotterdam zu füllen. Das schrille Läuten des Telefons schreckte ihn auf. Der Funkmaat, der sofort nach seiner Vorstellung von Dumarche in die Funkkabine geschickt worden war, hatte seinen ersten Handgriff auf der Maringo getan.
»Heßbach«, meldete sich der Kapitän. »Wer spricht?«
»Hier Teo Fransakiris«, antwortete eine fröhliche Stimme. »Ich bin Ihr Vorgänger gewesen.«
»Ich weiß. Ich lese es im Bordbuch.« Heßbachs Stimme nahm einen abweisenden Ton an. »Leider haben wir uns nicht gesehen und gesprochen. Im allgemeinen ist es üblich, daß der Abschied nehmende Kapitän den ankommenden neuen Kapitän an Bord begrüßt …«
»So ist es bei der christlichen Seefahrt … stimmt genau! Nur haben wir hier keine christliche Seefahrt! Das ist mehr ein Durchhalte- und Durchbruchskommando als eine normale Fahrt. Wenn Sie in Rotterdam ankommen, werden Sie es verstehen: so schnell wie möglich der Maringo den Rücken kehren, Augen zu und weg! Ich habe auch nur angerufen, um Ihnen Glück zu wünschen. Viel Glück.«
»Das klingt sehr sarkastisch, Herr Fransakiris.«
»Fassen Sie es auf, wie Sie wollen. Ich meine es ehrlich: Viel Glück!«
»Was ist mit dem Schiff los?«
»Nichts! Alles ist in Ordnung. Keine Beanstandungen. Es liegt ja das Zertifikat der Klassifikationsgesellschaft von Liberia vor.«
»Was ich anzweifle.«
»Aber die Reederei stützt sich darauf und ist mit einer weißen Weste gesegnet.«
»Ich behaupte, daß kein einziger Sachverständiger die Maringo betreten hat.«
»Können Sie das beweisen?«
»Arbeiten diese Kontrolleure auch nachts?«
»Beweisen Sie das Gegenteil … Ich erlebe das jetzt seit zwölf Jahren. Und immer ist es gut gegangen. Genau genommen kümmert sich kein Mensch um
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