Öl-Connection
allein auf die Auswirkungen einer Ölkatastrophe auf unsere Meere, Fauna und Flora beschränkt. Gerade die Untersuchungen in Alaska und auf den Shetlands haben aber gezeigt, daß auch der Mensch nicht von den Folgen eines solchen Unglücks verschont bleibt. Rohöl entwickelt toxische Dämpfe, die durch das Einwirken von Lösungsmitteln noch erhöht und verstärkt werden. Die auftretenden Gifte schädigen nicht nur Haut, Augen und Atemwege, sondern lähmen vor allem das zentrale Nervensystem. Eine genauere Analyse der Primär- und Sekundärsymptome würde hier zu weit führen. Lassen Sie mich nur noch ergänzend anführen, daß man inzwischen auch psychische Spätschädigungen infolge von Ölkatastrophen beobachtet und regelmäßiger wissenschaftlicher Beobachtung unterstellt hat.«
Es herrschte betretenes Schweigen.
»Das heißt –«, brach der Ministerpräsident endlich die Stille, »wir haben überhaupt keine Chance.«
»So kann man sagen.«
»Und wie soll ich das meinen Bürgern beibringen?«
»Ich habe nur Fakten vorzutragen«, antwortete der Wissenschaftler. »Was Sie jetzt ansprechen, ist Sache der Politiker. Ich bin kein Politiker, ich kann nur Empfehlungen vorbringen.«
»Und was empfehlen Sie?«
»Nichts! Keine Stellungnahme, keine Aufklärung, keine Kommentare, denn es sollte alles unternommen werden, um Panik zu verhindern. Die Regierung sollte es mit der Erklärung bewenden lassen, daß alles Menschenmögliche zum Schutze von Teneriffa getan wird! Das entspricht sogar der Wahrheit.«
»Sie hätten Politiker werden sollen«, warf der Verkehrsminister sarkastisch ein. »Besser hätten wir die Tatsachen auch nicht verdrehen können. Und wenn wirklich all das eintritt, was Sie uns vorgetragen haben?«
»Dann ist schon einige Zeit vergangen, und das Ganze stellt sich dann als eine Massierung nicht erkennbarer widriger Umstände dar. Komplexe Zusammenhänge, die in der Notsituation nicht richtig analysiert werden konnten.«
»Wir sollen also unsere Bevölkerung belügen!« schrie der Bürgermeister von Santa Cruz. Er schnappte nach Luft. »So machen wir uns mitschuldig am Untergang Teneriffas!«
»Schuld ist keiner von uns«, beschwichtigte der Generaldirektor der Handelsflotte. »Schuld ist der Tanker Maringo, schuld ist der Kapitän, der außerhalb aller Seestraßen auf Teneriffa zusteuerte. Schuld ist der Reeder, der das zugelassen hat! Und schuld ist der griechische Frachter, der den Tanker rammte. Das kann man doch der Bevölkerung sagen?«
»Was nützt einem Verhungernden ein Krümel Brot? Die Schuldfrage kann später immer noch geklärt werden. Wichtig ist, was jetzt zu tun ist!« Der Ministerpräsident blickte einmal um den langen Tisch. »Ich warte auf Vorschläge, meine Herren.«
Das Schweigen, das daraufhin eintrat, sagte alles.
Das letzte Wort aber hatte der Bischof: »Wer auf Gott vertraut, lebt in der Hoffnung.«
Gérard Armand hatte nach seinem Telefongespräch mit Dumoulin sofort seinen Koffer gepackt.
Armand war ein mittelgroßer, muskulöser, gut durchtrainierter Mann mit einigen grauen Strähnen im schwarzen gelockten Haar, trug Maßanzüge und italienische Schuhe, Hemden von einem Londoner Schneider und Krawatten aus Paris. Er war insgesamt der Typ Mann, an dem eine Frau nicht vorbeigehen konnte, ohne einen intensiven Seitenblick zu wagen. Er sprach vier Sprachen – französisch, englisch, arabisch und spanisch –, hatte gepflegte Hände, trug meistens eine dunkle Sonnenbrille mit Goldrand und sprach leicht gedämpft mit einer schönen, dunklen Stimme. Das einzige, was störte und nicht zu ihm paßte, war eine Narbe auf dem linken Arm, die allerdings nur selten zu sehen war.
Als Beruf trug er in die Meldezettel der Hotels ›Reisender‹ ein. Das war ein dehnbarer und zu allen Vermutungen anregender Begriff, aber er genügte. Und da er an einem Ort nie länger als zwei, höchstens drei Tage blieb, um seine Arbeit zu erledigen, war er der Unauffälligste aller Hotelgäste.
Seinen Urlaub verbrachte er nun zum dritten Mal auf Fuerteventura. Nicht, weil das Hotel seinem Geschmack entsprach oder die Landschaft der kanarischen Insel ihn sonderlich beeindruckte – es war vielmehr die trotz aller Touristeninvasionen von ihm so geschätzte Einsamkeit und Sicherheit. Überall hätte die Möglichkeit bestanden, erkannt zu werden, denn er hatte Aufträge rund um die Welt, aber hier, auf Fuerteventura stöberte ihn keiner auf. Seine ›Kundschaft‹ vergnügte sich in anderen
Weitere Kostenlose Bücher