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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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geführt, und dort lag sie, blass und fremd, denn er sah sie sonst nie ungeschminkt. Alles an ihr war makellos rein, das weiße Spitzennachthemd und die weichen, weißen Kissen, in denen sie versunken lag, nonnengleich und rührend in ihrer Freude, ihn zu sehen.
    «Mensch, Bertie! Wie ist das passiert?»
    «Es kam ganz plötzlich. Es war ziemlich schlimm, aber jetzt geht’s mir wieder gut. Alle waren sehr nett zu mir.» Bertie wartete, bis die Schwester aus dem Zimmer gegangen war und die Tür geschlossen hatte. Dann richtete sie den müden Blick auf ihren Bruder und sagte: «Wir nennen es Blinddarmentzündung, das ist so üblich hier, und das musst du auch Dad und Tante Emma sagen. Aber du kannst gern die Wahrheit hören – ich war schwanger.»
    «Ach, du meine Güte!» Bunny starrte sie entgeistert an.
    «Stell dich nicht an, Bunny, du bist auch kein Unschuldslamm.»
    «Wer ist der Mann?»
    «Jetzt werd nicht melodramatisch. Du weißt, das kann jedem passieren.»
    «Ja – aber wer war es, Bertie?»
    «Damit wir uns von Anfang an richtig verstehen: Es war nicht sein Fehler. Ich habe es absichtlich gemacht.»
    Bunny wusste nicht, was er davon halten sollte. «Du kannst es mir ruhig sagen, Bertie.»
    «Gut, aber ich möchte, dass du dich ordentlich benimmst. Ich lass mir von niemandem was vorschreiben, und ich wusste, was ich tat. Jetzt würde ich ihn auch für eine Million nicht mehr heiraten – nicht für all seine Millionen, denn er ist ein feiger Hund, und ich verachte ihn.»
    «Du meinst Charlie Norman!»
    Sie nickte, und als sie sah, wie Bunny die Fäuste ballte, sagte sie: «Du brauchst hier nicht den Helden zu spielen. Eine Mussheirat funktioniert nicht, wenn die Braut nicht mitmacht.»
    «Erzähl, Bertie.»
    «Na ja, wir waren eine Weile ganz furchtbar verliebt, und ich habe gedacht, er will mich heiraten. Aber dann merkte ich, dass er die Finger nicht von anderen Frauen lassen konnte, überlegte und kam zu dem Schluss, wenn ich ein Kind kriege, muss er mich heiraten. Und so habe ich es versucht.»
    «Lieber Gott, Bertie!»
    «Du brauchst gar nicht so ein Gesicht zu machen. Das tun Tausende von Frauen, es gehört zu unseren Tricks. Aber Charlie ist ein feiges Schwein. Als ich es ihm erzählt habe, hat er sich dermaßen abscheulich aufgeführt, dass ich ihn zum Teufel geschickt habe. Ich habe mir den Namen eines Doktors beschafft, der die Sache in Ordnung bringt, und Dad kriegt eine Rechnung über tausend Dollar, mehr Schaden ist nicht entstanden.»
    «Bertie», flüsterte er, «warum in aller Welt musst du so etwas tun?»
    «Keine Sorge, es kommt nicht mehr vor. Ich habe meine Erfahrungen machen müssen, wie alle anderen Menschen auch.»
    «Aber warum hast du es dieses eine Mal getan? Warum hast du versucht, einen reichen Mann zur Ehe zu zwingen? Gibt Dad dir nicht genug Geld?»
    «Du hast leicht reden, Bunny, du bist zufrieden, wenn du dich mit einem alten Buch in eine Ecke verziehen kannst. Aber so bin ich nicht, ich brauche ein bisschen Leben um mich. Dad gibt mir Taschengeld, aber es ist nicht das, was ich will. Ich will weiterkommen, will etwas Eigenes. Fang jetzt nicht an zu predigen, ich bin schwach wie ein junges Kätzchen und halte im Moment nichts aus. Ich wollte, was alle Frauen wollen, ein eigenes Heim, und zwar nicht nur einen Bungalow, sondern eine Villa, in die ich Leute einladen und wo ich meine Talente als Gastgeberin entfalten kann. Gut, ich bin auf die Nase gefallen, jetzt will ich nur noch jemanden, der ein paar Minuten nett zu mir ist, wenn du das möglich machen kannst.»
    Es sah aus, als kämen ihr gleich die Tränen, deshalb sagte Bunny eilends: «In Ordnung, altes Mädchen, ich hör schon auf. Aber natürlich war ich bestürzt.»
    «Nicht nötig. Der Arzt sagt, in den Vereinigten Staaten wird das jährlich eine Million Mal gemacht. Ich habe es spaßeshalber ausgerechnet: Das heißt alle dreißig Sekunden einmal. Das Leben ist eine Schweinerei. Reden wir über was anderes.»
    Da sie schon einmal bei Vertraulichkeiten waren, wollte sie wissen, wie es mit ihm und Vee lief, ob er sie heiraten werde? Er antwortete, er wisse nicht, ob sie ihn haben wolle. Bertie lachte, natürlich wollte sie ihn haben, sie spielte nur ihre Karten sehr geschickt aus. Doch Bunny erzählte Bertie, wie oft sie sich über ihn ärgerte und warum, und das gab Bertie Gelegenheit zu einer Predigt. Sie war immer noch die Alte. Für ein paar Minuten mochte sie schwach geworden sein und ihn gebeten haben, nett zu

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