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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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«Diktatur des Proletariats» nach russischem Muster. Die Angeklagten hingegen behaupteten, sie hätten eine rechtmäßige politische Partei für die Arbeiterklasse gegründet, und ihre Einstellung zur Gewalt sei rein defensiv. Die Kapitalisten würden sich niemals auf friedlichem Wege die Macht nehmen lassen, aber gerade die Kapitalisten verstießen gegen die Verfassung, und die Arbeiter müssten sich eben verteidigen.
    Die Gefangenen wurden alle zugleich vor Gericht gestellt, das Verfahren dauerte drei Wochen und war ein Lehrstück in Sachen Gegenwartsproblematik – oder wäre es gewesen, wenn die Zeitungen über beide Seiten berichtet hätten. Um die Seite der Arbeiter kennenzulernen, musste man im Gerichtssaal sitzen, und Bunny ging hin, wann immer er aus der Universität fortkonnte. Er war auch anwesend, als der Staatsanwalt einen «Überraschungszeugen» aus dem Hut zauberte, der besonders für Bunny eine Überraschung war – Ben Skutt, sein Freund aus Kindertagen! Ben hatte sich offenbar einen Schnurrbart wachsen lassen und einen Kurs in Moskauer Jargon besucht, er war als arbeitsloser Ölarbeiter aufgetreten, in die Arbeiterpartei aufgenommen worden und hatte binnen Kurzem eine Stelle im Büro bekommen. Jetzt erzählte er haarsträubende Geschichten über verbrecherische Machenschaften und die Bemühungen der Partei, die Ölarbeiter aufzuhetzen und zur Zerstörung der Bohrlöcher anzustiften. Die Kommunisten hingegen, so erfuhr Bunny von Ikey Menzies, waren bereit zu schwören, dass all diese Vorschläge zur Zerstörung von Ben Skutt selbst gekommen seien. Auf dem Höhepunkt des Streiks habe er beharrlich behauptet, es gebe nur eine Möglichkeit, die Lage zu retten, nämlich einen Trupp wirklich kampfbereiter Männer zusammenzustellen und ein halbes Dutzend Ölfelder abzufackeln.
    Bunny ging heim zu seinem Vater. «Dad, weswegen hast du dir damals Ben Skutt vom Hals geschafft?»
    «Na ja, ich hab rausgekriegt, dass er auch von der Gegenseite Provisionen genommen hat. Und er war noch zu ganz anderen Schurkereien imstande.»
    «Nämlich?»
    Dad lachte. «Er hatte sich einen sagenhaften Plan ausgedacht. Du weißt ja, drüben in Prospect Hill hatten es die Leute mit dem Bohren wahnsinnig eilig; der Eigentümer der Nachbarparzelle konnte ja zuerst bohren und einem das ganze Öl abzapfen! Ben und noch so ein Kerl bekamen heraus, dass ein paar Parzelleneigentümer drauf und dran waren, einen vorteilhaften Pachtvertrag abzuschließen; Ben ließ sich von seinem Kumpel für eine dieser Parzellen eine Grundstücksübertragungsurkunde geben und diese ins öffentliche Register eintragen, und wie die Rechtstitelversicherung daherkommt, um über die Eigentumsrechte Bericht zu erstatten, 102 ist dieses Recht mit Mängeln behaftet. Der Eigentümer kommt in panischem Schrecken zu Ben Skutt gelaufen, was zum Teufel da los wär? Und Ben macht ein bestürztes Gesicht und sagt, er hätte die Parzelle in gutem Glauben von jemand gekauft. Wer denn dieser Jemand wär? Tja, dieser Jemand war verschwunden und nicht mehr aufzufinden. Aber nun blockierte Ben den Pachtvertrag, und es konnte nicht losgehen mit dem Bohren. Der Eigentümer der Parzelle tobte und fluchte, alle Parzelleneigentümer in diesem Pachtvertrag waren aneinander gebunden, niemand konnte was anfangen mit seinem Grund, solange diese eine Parzelle nicht frei war. Vor Gericht den Rechtsanspruch klären hätte bestimmt sechs Monate gedauert, bis dahin wäre die Chance auf eine Verpachtung dahin gewesen; also musste der Eigentümer in die Tasche greifen und Ben die fünftausend geben, die dieser angeblich bezahlt hat.»
    «Diesen Trick hat er vermutlich öfter ausprobiert», bemerkte Bunny, und Dad meinte, nur so lange, bis die Nachricht die Runde gemacht habe, dann dürfte ein Grundstückseigentümer Ben eine Kanone unter die Nase gehalten und die Sache auf diese Weise geregelt haben. In seinem Fall habe die Geschichte den üblichen Verlauf genommen: Er sei einer Frau in die Hände gefallen, die ihm die Haare vom Kopf gefressen habe, deshalb spiele er jetzt für patriotische Vereine den Spion.
    Bunny wusste, dass sein Vater diesem gerissenen Halunken nichts schuldig war und nichts dagegen hatte, wenn er aufflog, vorausgesetzt, Bunnys Name wurde nicht mit hineingezogen. Es würde ein Leichtes sein, die Sache zurückzuverfolgen, wenn man Bens Immobiliengeschäfte im Bezirksregister nachschlug; er hatte den Parzelleneigentümern, die er behindert hatte, eine

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