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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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buchstäblich Millionen solcher Dokumente abschreiben, kontrollieren, noch einmal kontrollieren, nachschlagen und abheften ließ!
    5
    Bunny und Rachel aßen zu Abend und schlenderten dann am Meer entlang; es war eine jener warmen Nächte, wie es sie hie und da in Südkalifornien gibt; über der See hing der Mond, an einem langen Pier schimmerten Lichter, und ein Orchester lockte die Liebenden mit seinen Klängen. Am Eingang zum Pier stand eine große, schmucklose Stadthalle, wo unter den Argusaugen einer frommen Stadtverwaltung schickliche Tanzveranstaltungen stattfanden. Bunny und seine junge Frau tanzten – ach, es war doch in Ordnung, wenn sie in diesem hochanständigen Haus ein wenig tanzten, es waren doch eigentlich ihre Flitterwochen!
    Doch dann, zwischen zwei Tänzen, während das Orchester schwieg, erschütterte etwas die Halle; ein dumpfer, dunkler Schlag wie ferner Donner ließ die Fenstern klirren und die Füße vibrieren. «Was ist das?», rief Rachel. «Ein Erdbeben?»
    «Die Geschütze», antwortete Bunny.
    «Geschütze?»
    Und er musste erklären, dass es sich um eine Flottenübung handelte. Etwa zwanzig Schlachtschiffe lagen im Hafen, einem ungenannten Feind gegenüber, und hielten gerade nächtliche Schießübungen ab. Wenn man in Küstennähe wohnte, hörte man sie hie und da, bei Tag und bei Nacht.
    Jetzt konnte Rachel nicht mehr tanzen. Jedes Mal, wenn sie diesen dumpfen Schlag hörte, sah sie die zerfetzten Körper junger Männer vor sich. Die Kapitalisten bereiteten sich auf den nächsten Krieg vor – durften da die Sozialisten tanzen?
    Sie fuhren den Hafenboulevard entlang, fünfzehn oder zwanzig Meilen mit Ortschaften, Docks, Brücken, Eisenbahngleisen, Fabriken und landeinwärts den «Erschließungsgebieten» mit den Unterkünften für die Arbeiter. Hier entstand im Eiltempo einer der größten Häfen der Welt, und die Verantwortlichen, die Herren über die Kredite, sahen vor sich das grässliche Gespenst mit dem Namen «Protestaktionen» oder «Unerlaubte Zusammenschlüsse». Die «Industrial Workers of the World» hatten hier ein Büro, in dem sie sich trafen, um über diese Pläne zu diskutieren, und die Arbeitgeber bekämpften sie unablässig.
    Die Adresse, die Ruth Bunny gegeben hatte, lag in einer dunklen Straße in einem Arbeiterviertel. Aus einer relativ großen Halle mit erleuchteten Fenstern hörte man ein Klavier und eine singende Kinderstimme. Bunny fand zwischen den Autos am Straßenrand einen freien Platz und stieß rückwärts hinein. Er wollte schon aussteigen, als Rachel ihn am Arm packte. «Warte!» Auf der Straße kam ein ganzes Autogeschwader angerast, immer zwei nebeneinander, was die Fahrbahn zur Gänze blockierte, und heraus sprangen etwa fünfzig Männer mit den unterschiedlichsten Waffen: Knüppeln, Beilen, Eisenrohren. Sie stürmten zum Eingang, und einen Augenblick später verstummte die Musik, man hörte Schreie und das Geräusch von berstendem Glas und brutalen, wuchtigen Schlägen.
    «Die überfallen sie!», schrie Bunny und wollte hinterherlaufen, aber Rachel hatte die Arme um ihn geschlungen und hielt ihn fest: «Nein! Nein! Bleib sitzen! Was kannst du denn tun?»
    «Aber, mein Gott, wir müssen etwas tun!»
    «Du hast keine Waffe, du kannst so eine Horde nicht aufhalten! Du kannst dich nur umbringen lassen! Halt still!»
    Die Geräusche von drinnen waren zu einem chaotischen Getöse angeschwollen; die Halle war vermutlich sehr voll, und alle schrien aus Leibeskräften. Und dazu diese entsetzlichen, krachenden Schläge – nicht zu sagen, ob sie auf Möbel niedergingen oder auf menschliche Leiber. Bunny war fast außer sich, er versuchte sich loszureißen, und Rachel kämpfte wie eine Verrückte – nie hätte er gedacht, dass sie so viel Kraft besaß. «Nein, Bunny! Nein! Um Himmels willen! Um meinetwillen! Oh, bitte, bitte!» Sie erkannte in diesen schrecklichen Minuten, dass sie für den Rest ihres Lebens von der Angst verfolgt sein würde, ihr Mann werde in diesem entsetzlichen Klassenkampf eines Tages sein Leben opfern müssen. Aber noch nicht jetzt, noch nicht jetzt! Nicht in den Flitterwochen!
    Es war wie ein Tornado, der vorbei ist, ehe man ihn richtig wahrnimmt. Die Angreifer kamen so schnell aus der Halle heraus, wie sie hineingestürmt waren. Sie schleppten ein halbes Dutzend Gefangene mit sich und warfen sie in die Autos mit den noch laufenden Motoren; dann fuhren sie dröhnend die Straße hinunter, und alles war wieder still.
    Jetzt durfte Bunny

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