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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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die Überreste des Opferhügels gefunden und
     mich zu erinnern versucht, wo Nils gegraben hatte.«
    Sie hob den Deckel. Gerlof sah Scheren, Garn, das säuberlich nebeneinanderlag, und dachte daran zurück, wie er früher die Risse im Segeltuch geflickt hatte. Dann hob Maja den
     doppelten Boden des Kästchens und legte ihn beiseite. Gerlof
     entdeckte ein flaches Etui, das in dem Geheimfach darunter
     versteckt war.
    Es war aus Blech, mit alten Rostflecken überzogen.
    Zumindest hoffte Gerlof, dass es Rostflecken waren.
    »Hier ist es.«
    Maja gab es ihm. Er hörte ein Rasseln.
    »Darf ich es aufmachen?«, fragte er.
    »Du darfst damit machen, was du willst, Gerlof.«
    Das Etui hatte keinen Verschluss, und er klappte es vorsichtig auf.
    Es glitzerte und funkelte darin.
    Vielleicht lagen da einfach nur zwanzig Glassplitter, nur
     Ramsch, aber es fiel einem schwer, nicht an etwas Edleres zu
     denken. Und daneben lag ein Kreuz. Gerlof war zwar kein
     Experte, aber es sah aus wie ein Kruzifix aus purem Gold.
    Gerlof schloss schnell den Deckel, ehe die Versuchung zu
     groß wurde, einen der Steine zu nehmen und zwischen den
     Fingern hin und her zu rollen.
    »Hast du jemandem davon erzählt?«, fragte er leise.
    »Ich habe es meinem Mann erzählt, bevor er starb«, sagte
     Maja.
    »Glaubst du, dass er es weitererzählt hat?«
    »Über so was hat er nicht mit anderen gesprochen.« Maja
     schüttelte den Kopf. »Sonst hätte er mir das bestimmt gesagt.
     Wir hatten sonst keine Geheimnisse voreinander.«
    Gerlof glaubte ihr. Helge war kein redseliger Mensch gewesen. Aber das Gerücht, dass die beiden Soldaten eine Kriegsbeute aus dem Baltikum dabeigehabt hatten, schien im Norden Ölands sehr verbreitet zu sein. Auch Gerlof hatte davon
     gehört – genau wie John und Anders Hagman.
    »Dann hast du das die ganze Zeit versteckt?«, fragte er.
     Maja nickte.
    »Ich habe nie etwas damit unternommen, die Steine gehörten ja nicht mir. Aber ich habe versucht, sie Nils’ Mutter Vera
     zu geben.«
    »Aha? Wann war das?«
    Maja setzte sich auf den Stuhl neben Gerlof, und er merkte,
     dass sie den Stuhl so nah an ihn heranrückte, dass sich ihre
     Knie unter dem Tisch berührten.
    »Das war später, Ende der Sechzigerjahre. Helge hatte gehört, dass Vera Kant begonnen hatte, ihr Land an der Küste
     zu verkaufen, weil sie in finanziellen Schwierigkeiten steckte.
     Da habe ich mir überlegt, dass sie die Steine gebrauchen
     könnte …«
    »Bist du zu ihr gegangen?«
    Maja nickte.
    »Ich bin mit dem Bus nach Stenvik gefahren. Es war Sommer, die Türen waren angelehnt, als ich die Verandatreppe
     hochging. Meine Beine haben gezittert, ich hatte Angst vor
     Vera, wie die meisten …« Maja zögerte: »Im Haus spielte ein
     Radio oder Grammofon, zumindest hörte ich leise Musik.
     Und Stimmen. Sie hatte Besuch.«
    »Sie hatte eine Haushälterin, vielleicht war sie das …«
    »Nein. Es waren zwei Männer«, unterbrach Maja ihn. »Ich
     habe zwei Männerstimmen in der Küche gehört. Der eine
     murmelte, die Stimme des anderen war viel lauter und bestimmter, fast wie die eines Kapitäns …«
    »Hast du die Männer gesehen?«, fragte Gerlof.
    »Nein«, sagte Maja. »Und ich habe auch nicht gelauscht …
     Ich habe geklopft, als ich vor der Tür stand. Daraufhin verstummten die Stimmen sofort, und Vera kam aus der Küche
     geschossen und machte die Tür hinter sich zu. Es war ein
     Schock, sie nach so vielen Jahren wiederzusehen. Sie sah so
     dünn und verdorrt aus … wie ein vertrocknetes Seil. Aber sie
     war noch genauso misstrauisch wie früher, sah mich an, als
     wäre ich ein Dieb oder so. ›Was wollen Sie?‹, zischte sie. Keine
     Begrüßung, kein freundliches Wort. Ich war vollkommen
     durcheinander. Ich hatte das Etui ja in der Tasche, holte es
     aber nicht heraus. Ich fing an, von Nils und der Alvar zu
     stammeln, ziemlich dummes Zeug. Sehr dummes Zeug,
     denn plötzlich schrie mich Vera an, ich solle verschwinden.
     Dann drehte sie sich um und ging wieder in die Küche. Und
     ich bin nach Hause gefahren … ein paar Jahre später ist sie
     dann gestorben.«
    Gerlof nickte. Vera war durch dieselbe Treppe zu Tode gekommen, die auch Julia fast zum Verhängnis geworden wäre.
    »Konntest du hören, worüber die beiden Männer gesprochen haben?«
    Maja schüttelte den Kopf.
    »Ich habe nur einzelne Worte gehört, bevor ich angeklopft
     habe«, antwortete sie. »Irgendetwas über Sehnsucht. Der mit
     der lauten Stimme

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