Öland

Hörer.
    »Hallo!«
    »Wie geht es dir?«, fragte Lennart.
    »Besser«, antwortete sie. »Die Zeit heilt alle Knochenbrüche … und Astrid kümmert sich rührend um mich.«
    »Schön«, sagte er. »Ich habe Neuigkeiten, vielleicht hast du
     es ja auch schon gehört.«
    »Habt ihr Nils Kant gefunden?«, fragte Julia.
    Es klang, als würde er leise seufzen.
    »Es war kein Gespenst, das im Keller Löcher gegraben hat«,
     teilte er ihr mit. »Hat dir Gerlof nichts erzählt?«
    »Wir hatten noch keine Gelegenheit, viel miteinander zu
     reden«, sagte Julia.
    »Dein Vater hat mir dabei geholfen, den Besitzer der Tabakdosen aufzuspüren«, klärte Lennart sie auf.
    »Wem gehören sie denn?«
    »Anders Hagman.«
    »Anders Hagman?«, wiederholte Julia entgeistert. »Meinst
     du den Anders vom Campingplatz? Johns Sohn?«
    »Genau.«
    »Bist du sicher?«
    »Er hat es uns nicht selbst gesagt, weil wir bisher noch
     nicht persönlich mit ihm gesprochen haben. Anders ist untergetaucht. Aber alles deutet darauf hin.«
    »Dann hat also nicht Nils Kant in dem Haus übernachtet?«
    »Nein«, antwortete Lennart. »Es gibt meistens für alles eine
     ganz einfache Erklärung, Julia. Anders Hagman wohnt nicht
     weit entfernt. Es war ein Leichtes für ihn, dorthin zu schleichen, sobald es dunkel wurde.«
    »Aber warum hat er dort gegraben?«
    »Dafür gibt es einige Theorien. Ich habe mir Gedanken gemacht und mit meinen Kollegen in Borgholm darüber gesprochen«, sagte Lennart. »Kennst du Anders? Hast du mit
     ihm zu tun gehabt, als du noch in Stenvik gewohnt hast?«
     »Nein. Er ist viel jünger als ich … vier oder fünf Jahre.« Julia
     konnte sich kaum an Anders Hagman erinnern.
    Sie hatte nur ein vages Bild von einem kräftigen, schweigsamen und schüchternen Jungen vor Augen. Er war ein Einzelgänger gewesen, hatte bei seinem Vater auf dem Campingplatz gearbeitet und weder an Mittsommernachtstänzen
     noch Erntefesten oder irgendeiner anderen Veranstaltung in
     Stenvik teilgenommen – zumindest erinnerte sie sich nicht
     daran.
    »Er ist wegen Körperverletzung vorbestraft, wusstest du
     das?«
    »Körperverletzung?«
    »Vor zwölf Jahren gab es eine Schlägerei auf dem Campingplatz – es war Alkohol im Spiel. Anders fühlte sich bedroht
     und schlug einen jungen Mann aus Stockholm nieder. Ich
     habe ihn damals festgenommen. Er bekam eine Strafe auf
     Bewährung und eine Geldbuße.«
    Sie schwiegen einen Moment.
    »Wird er denn verdächtigt?«, fragte Julia. »Verfolgt ihr
     ihn?«
    »Nein, es geht nicht um Verfolgung und Festnahme, wir
     wollen ihn nur finden, mit ihm sprechen und herausfinden,
     was er in Vera Kants Haus gemacht hat. Er wird aber auf jeden
     Fall wegen Einbruch angezeigt.«
    »Wollt ihr ihn nicht fragen, was er über Jens weiß? Wo er
     war, als Jens verschwand?«
    »Vielleicht, sollten wir?«, entgegnete Lennart.
     »Ich weiß es nicht.«
    Sie konnte sich nicht einmal erinnern, ob Anders ihrem
     Sohn jemals begegnet war. Aber das war er bestimmt.
    »Anders hält sich offensichtlich in Borgholm auf, wir werden ihn dort ausfindig machen und befragen. Wenn wir etwas Interessantes erfahren, melde ich mich bei dir.«
    Gerlof hatte Julia direkt nach ihrem Unfall angerufen, aber
     Julia hatte das Gespräch schnell beendet. Sie schämte sich.
     Je mehr sie über ihren Einbruch in Vera Kants Haus nachdachte, desto mehr schämte sie sich.
    Am Montagmorgen kam Gerlof im Auto von John Hagman
     in Stenvik vorbei und klingelte an der Tür. Julia kämpfte sich
     mit ihrer Krücke ab, um die Tür zu öffnen, denn sie war allein zu Hause. Astrid war einkaufen.
    John blieb im Auto. Julia sah den Campingplatzbesitzer in
     sich zusammengesunken und nachdenklich im Auto sitzen.
     »Ich wollte nur mal vorbeischauen und sehen, wie es dir
     geht«, sagte Gerlof, der auf seinen Stock gestützt nach Luft
     schnappte, nachdem er die zwanzig Meter vom Auto bis zur
     Tür ohne Hilfe gelaufen war.
    »Mir geht es eigentlich ganz gut«, erwiderte Julia. »Machst
     du mit John einen Ausflug?«
    »Wir fahren nach Småland!«, antwortete Gerlof.
    »Wann kommt ihr zurück?«
    Gerlof lachte kurz auf.
    »Boel hat exakt dasselbe gefragt. Sie hätte am liebsten, dass
     ich von morgens bis abends in meinem Zimmer sitze. Aber
     wir sind heute Abend oder am späten Nachmittag wieder zurück. Vielleicht schauen wir noch einmal bei Martin Malm
     vorbei, wenn es ihm heute besser geht als letztes Mal.«
    »Hat eure Reise etwas mit Nils Kant zu