Öland
begegnet«, sagte Lennart. »Auf
mich wirkte er ganz zurechnungsfähig.«
John saß mit starrem Blick am Tisch.
»Anders ist gerne allein«, sagte er. »Er grübelt viel. Redet
nicht besonders viel, weder mit mir noch mit anderen. Aber
er würde niemals etwas Böses tun.«
»Und die Adresse?«, fragte Lennart weiter.
John nannte ihm Anders’ Adresse.
»Sehr schön«, sagte Lennart. »Dann wollen wir Sie nichtlänger stören, John. Wir fahren jetzt erst einmal nach Marnäs
zurück.«
Letzteres richtete sich an Gerlof, der sich zunehmend wie
ein zweiter Polizist in der Runde fühlte.
Und das war kein schönes Gefühl, denn er hatte gesehen,
wie die Angst in Johns Augen im Laufe des Gesprächs zugenommen hatte.
»Er könnte niemals etwas Böses tun«, wiederholte John, obwohl Lennart schon auf dem Weg zur Tür war.
»Es besteht kein Grund zur Sorge«, beruhigte Gerlof ihn,
ohne besonders überzeugend zu klingen. »Wir reden später,
ja? Lass uns telefonieren.«
John nickte, sah aber nervös zu Lennart, der in der Tür
wartete.
»Kommen Sie, Gerlof!«, sagte er. Das klang wie ein Befehl,
und Gerlof fühlte sich nicht mehr wie ein Polizist, sondern
wie ein Hund, stand aber gehorsam auf und folgte dem Polizisten. Eigentlich wollte er noch bei seiner Tochter vorbeischauen, aber das würde er wohl verschieben müssen.
Gerlofs Muskeln zitterten stärker als gewöhnlich, als er zu
seinem Zimmer ging; seine Gelenke schmerzten auch mehr
als üblich. Lennart hatte ihn zurückgebracht.
Er hörte das Klingeln des Telefons schon durch die Tür und
glaubte nicht, es rechtzeitig zu schaffen, aber es klingelte unaufhörlich weiter.
»Davidsson?«
»Ich bin es«, sagte John.
»Wie geht es dir?«
John schwieg.
»Hast du schon mit Anders gesprochen?«, fragte Gerlof.
»Ja. Ich habe ihn in Borgholm angerufen.«
»Gut. Vielleicht solltest du ihm nicht erzählen, dass die
Polizei ihn sprechen will …«
»Das ist zu spät«, unterbrach ihn John. »Ich habe es ihm
schon gesagt.«
»Aha, und was hat er dazu gesagt?«, fragte Gerlof.
»Nichts. Er hat nur zugehört.«
Es wurde wieder still in der Leitung.
»John … wir wissen doch beide, was Anders bei Vera Kant gemacht hat. Wonach er im Keller gegraben hat!«, sagte Gerlof.
»Er hat den Schatz der Soldaten gesucht. Diese Kriegsbeute,
die sie angeblich bei sich hatten, als sie auf Öland ankamen.«
»Ja«, sagte John.
»Der Schatz, den Nils Kant gestohlen haben soll«, fuhr Gerlof fort, »wenn er es denn wirklich war.«
»Anders redet seit vielen Jahren davon«, gab John zu.
»Er wird ihn aber nicht finden«, sagte Gerlof.
John erwiderte nichts.
»Wir beide müssen nach Ramneby«, erklärte Gerlof. »Zum
Sägewerk und dem Holzmuseum. Könnten wir nicht morgen
hinfahren?«
»Morgen geht nicht«, sagte John. »Ich muss nach Borgholm
und Anders abholen.«
»Dann eben nächste Woche«, schlug Gerlof vor. »Danach
könnten wir in Borgholm vorbeifahren und schauen, wie es
Martin Malm geht.«
»Gern«, sagte John.
»Wir werden Nils Kant finden, John«, sagte Gerlof.
Es war schon fast neun. Die Gänge des Altersheimes lagen verlassen und still.
Gerlof stand auf seinen Stock gestützt vor Maja Nymans
geschlossener Tür. Kein Laut drang heraus. Über dem Spion
hing ein handgeschriebener Zettel mit den Worten: SEID SO
GUT UND KLOPFT AN! JOHANNES 10, 7.
»Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den
Schafen«, zitierte Gerlof.
Er zögerte einen Moment, hob dann seine rechte Hand und
klopfte an.
Es dauerte eine ganze Weile, dann öffnete Maja die Tür. Sie
hatten sich vor einigen Stunden beim Abendessen gesehen,
und sie trug noch dasselbe gelbe Kleid.
»Guten Abend«, sagte Gerlof mit einem sanften Lächeln.
»Ich wollte nur mal sehen, ob du da bist.«
»Gerlof!«
Maja erwiderte das Lächeln, wirkte jedoch nervös. Der Besuch kam zu unerwartet.
»Darf ich reinkommen?«, fragte er.
Sie nickte zögerlich und trat einen Schritt zur Seite.
»Ich habe nicht aufgeräumt«, entschuldigte sie sich.
»Das macht nichts«, beruhigte Gerlof sie.
Auf seinen Stock gestützt, humpelte er in das Zimmer, das
sehr wohl aufgeräumt war, so wie er es von früheren Besuchen kannte. Ein dunkelroter Perserteppich bedeckte fast
den kompletten Fußboden, die Wände waren dicht behängt
mit Fotos und Gemälden. Gerlof war früher häufiger in Majas
Zimmer gewesen. Die beiden hatten ein Verhältnis
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