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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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begegnet«, sagte Lennart. »Auf
     mich wirkte er ganz zurechnungsfähig.«
    John saß mit starrem Blick am Tisch.
    »Anders ist gerne allein«, sagte er. »Er grübelt viel. Redet
     nicht besonders viel, weder mit mir noch mit anderen. Aber
     er würde niemals etwas Böses tun.«
    »Und die Adresse?«, fragte Lennart weiter.
    John nannte ihm Anders’ Adresse.
    »Sehr schön«, sagte Lennart. »Dann wollen wir Sie nichtlänger stören, John. Wir fahren jetzt erst einmal nach Marnäs
     zurück.«
    Letzteres richtete sich an Gerlof, der sich zunehmend wie
     ein zweiter Polizist in der Runde fühlte.
    Und das war kein schönes Gefühl, denn er hatte gesehen,
     wie die Angst in Johns Augen im Laufe des Gesprächs zugenommen hatte.
    »Er könnte niemals etwas Böses tun«, wiederholte John, obwohl Lennart schon auf dem Weg zur Tür war.
    »Es besteht kein Grund zur Sorge«, beruhigte Gerlof ihn,
     ohne besonders überzeugend zu klingen. »Wir reden später,
     ja? Lass uns telefonieren.«
    John nickte, sah aber nervös zu Lennart, der in der Tür
     wartete.
    »Kommen Sie, Gerlof!«, sagte er. Das klang wie ein Befehl,
     und Gerlof fühlte sich nicht mehr wie ein Polizist, sondern
     wie ein Hund, stand aber gehorsam auf und folgte dem Polizisten. Eigentlich wollte er noch bei seiner Tochter vorbeischauen, aber das würde er wohl verschieben müssen.
    Gerlofs Muskeln zitterten stärker als gewöhnlich, als er zu
     seinem Zimmer ging; seine Gelenke schmerzten auch mehr
     als üblich. Lennart hatte ihn zurückgebracht.
    Er hörte das Klingeln des Telefons schon durch die Tür und
     glaubte nicht, es rechtzeitig zu schaffen, aber es klingelte unaufhörlich weiter.
    »Davidsson?«
    »Ich bin es«, sagte John.
    »Wie geht es dir?«
    John schwieg.
    »Hast du schon mit Anders gesprochen?«, fragte Gerlof.
    »Ja. Ich habe ihn in Borgholm angerufen.«
    »Gut. Vielleicht solltest du ihm nicht erzählen, dass die
     Polizei ihn sprechen will …«
    »Das ist zu spät«, unterbrach ihn John. »Ich habe es ihm
     schon gesagt.«
    »Aha, und was hat er dazu gesagt?«, fragte Gerlof.
    »Nichts. Er hat nur zugehört.«
    Es wurde wieder still in der Leitung.
    »John … wir wissen doch beide, was Anders bei Vera Kant gemacht hat. Wonach er im Keller gegraben hat!«, sagte Gerlof.
     »Er hat den Schatz der Soldaten gesucht. Diese Kriegsbeute,
     die sie angeblich bei sich hatten, als sie auf Öland ankamen.«
    »Ja«, sagte John.
    »Der Schatz, den Nils Kant gestohlen haben soll«, fuhr Gerlof fort, »wenn er es denn wirklich war.«
    »Anders redet seit vielen Jahren davon«, gab John zu.
    »Er wird ihn aber nicht finden«, sagte Gerlof.
    John erwiderte nichts.
    »Wir beide müssen nach Ramneby«, erklärte Gerlof. »Zum
     Sägewerk und dem Holzmuseum. Könnten wir nicht morgen
     hinfahren?«
    »Morgen geht nicht«, sagte John. »Ich muss nach Borgholm
     und Anders abholen.«
    »Dann eben nächste Woche«, schlug Gerlof vor. »Danach
     könnten wir in Borgholm vorbeifahren und schauen, wie es
     Martin Malm geht.«
    »Gern«, sagte John.
    »Wir werden Nils Kant finden, John«, sagte Gerlof.
    Es war schon fast neun. Die Gänge des Altersheimes lagen verlassen und still.
    Gerlof stand auf seinen Stock gestützt vor Maja Nymans
     geschlossener Tür. Kein Laut drang heraus. Über dem Spion
     hing ein handgeschriebener Zettel mit den Worten: SEID SO
     GUT UND KLOPFT AN! JOHANNES 10, 7.
    »Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den
     Schafen«, zitierte Gerlof.
    Er zögerte einen Moment, hob dann seine rechte Hand und
     klopfte an.
    Es dauerte eine ganze Weile, dann öffnete Maja die Tür. Sie
     hatten sich vor einigen Stunden beim Abendessen gesehen,
     und sie trug noch dasselbe gelbe Kleid.
    »Guten Abend«, sagte Gerlof mit einem sanften Lächeln.
     »Ich wollte nur mal sehen, ob du da bist.«
    »Gerlof!«
    Maja erwiderte das Lächeln, wirkte jedoch nervös. Der Besuch kam zu unerwartet.
    »Darf ich reinkommen?«, fragte er.
    Sie nickte zögerlich und trat einen Schritt zur Seite.
    »Ich habe nicht aufgeräumt«, entschuldigte sie sich.
    »Das macht nichts«, beruhigte Gerlof sie.
    Auf seinen Stock gestützt, humpelte er in das Zimmer, das
     sehr wohl aufgeräumt war, so wie er es von früheren Besuchen kannte. Ein dunkelroter Perserteppich bedeckte fast
     den kompletten Fußboden, die Wände waren dicht behängt
     mit Fotos und Gemälden. Gerlof war früher häufiger in Majas
     Zimmer gewesen. Die beiden hatten ein Verhältnis

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