Öland
nach.
»Wer wohnt eigentlich noch das ganze Jahr über in Stenvik?«, fragte er dann.
»Nicht sehr viele.«
Lennart schwieg einen Augenblick.
»Ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen, Gerlof«, sagte er schließlich, wiegelte aber gleich wieder ab: »Nein, nein, keine Ermittlungen, nur eine Information. Ich habe etwas im Keller entdeckt.« Er steckte seine Hand in die Jackentasche. »Im Kellerfenster und unter der Treppe lagen viele von diesen Kautabakdosen herum. Sie waren alle leer. Und sie stammen sicher
nicht aus der Zeit, in der Vera Kant noch in dem Haus wohnte.«
Er hob die Dose hoch, die in einer kleinen Plastiktüte
steckte.
»Ich benutze keinen Tabak«, sagte Gerlof.
»Nein. Aber kennen Sie in Stenvik jemanden, der es tut?«
Gerlof zögerte ein paar Sekunden, dann nickte er. Es hatte
keinen Sinn, Dinge vor der Polizei zu verbergen, die sie ohnehin herausbekommen würde.
»Nur einen«, antwortete er.
Dann nannte er Lennart die Person. Der Polizist notierte
sich den Namen in seinem Notizbuch und nickte.
»Vielen Dank.«
»Ich würde gerne mitkommen, wenn Sie ihm einen Besuch
abstatten wollen.« Lennart öffnete den Mund, und Gerlof
schob schnell hinterher: »Mir geht es heute wieder besser, ich
kann selber gehen. Er wird nicht so aufgeregt sein und mehr
sagen, wenn ich dabei bin. Da bin ich mir ziemlich sicher.«
Lennart seufzte.
»Meinetwegen, ziehen Sie sich den Mantel an«, sagte er,
»dann machen wir eine kleine Spazierfahrt.«
»Das war eine schöne Rede, die du beim Begräbnis gehalten
hast, John«, sagte Gerlof.
John saß auf der anderen Seite des Esstisches in seiner kleinenKüche in Stenvik und nickte nur kurz. Er lehnte sich zurück, kurz darauf wieder vor. Er war nervös, das sah Gerlof
ihm an, und die Ursache war unschwer zu erraten: Der dritte
Mann am Tisch war ein uniformierter Lennart Henriksson. Es
war Viertel vor sechs und schon lange dunkel.
Die leere Kautabakdose lag vor ihnen auf dem Tisch.
»Wollt ihr den Fall wieder aufnehmen?«, fragte John.
»Was heißt aufnehmen …«, antwortete Lennart und zuckte
mit den Schultern. »Wir würden uns nur gerne mit Anders
über diese Tabakdose unterhalten. Denn wenn sie ihm gehört, hat er den Keller umgegraben und eine Menge Zeitungsausschnitte über Nils Kant und Jens Davidsson aufgehängt.
Und dann würden wir natürlich gerne wissen, wo Anders an
dem Tag war, als der kleine Jens verschwand.«
»Das müsst ihr Anders nicht fragen«, sagte John. »Das weiß
ich auch.«
»Ach ja?«, sagte Lennart und zog Notizblock und Stift hervor. »Bitte schön.«
»Er war hier«, gab John zu Protokoll.
»In Stenvik?«
John nickte.
»Und Sie waren auch hier? können Sie ihm für den Tag ein
Alibi geben?«
John zuckte mit den Schultern.
»Das ist schon so lange her«, sagte er. »Ich erinnere mich
nicht mehr an alles … Aber am Abend haben wir den Strand
abgesucht. Beide. Das weiß ich genau.«
»Daran erinnere ich mich auch«, bestätigte Gerlof.
Obwohl viele Bilder von diesem Abend verblasst waren,
erinnerte sich Gerlof an ein Bild sehr genau: John und sein
Sohn, der damals um die zwanzig gewesen sein musste, die
Seite an Seite den Strand Richtung Süden hinabgingen.
»Und am Nachmittag?«, fragte Lennart nach. »Was hat Anders da gemacht?«
»Weiß ich nicht mehr«, antwortete John. »Kann sein, dass
er unterwegs gewesen ist. Aber er war bestimmt nicht oben
bei Gerlofs Sommerhaus.« John sah Gerlof an. »Anders würde
nie etwas Böses tun, Gerlof.«
Gerlof nickte.
»Das glaubt auch niemand.«
»Wir müssen auf jeden Fall mit ihm sprechen«, sagte Lennart. »Ist Ihr Sohn zu Hause?«
»Er ist in Borgholm«, sagte John. »Nach der Beerdigung ist
er gefahren.«
»Wohnt er dort?«
»Manchmal … bei seiner Mutter«, sagte John. »Manchmal
bei mir. Er kann machen, was er will. Aber er hat keinen Führerschein, darum nimmt er den Bus.«
»Wie alt ist er?«
»Er ist zweiundvierzig.«
»Er ist zweiundvierzig Jahre alt und wohnt noch zu Hause?«, fragte Lennart entgeistert.
»Das ist doch kein Verbrechen.« John zeigte mit dem Daumen über seine Schulter. »Außerdem hat er sein eigenes
Häuschen, hier hinter meinem Haus.«
»Ich glaube«, warf Gerlof vorsichtig ein, »… man könnte
sagen, dass Anders ein bisschen speziell ist. Das ist doch in
Ordnung, oder, John? Er ist nett und hilfsbereit, aber eben
ein bisschen sonderbar.«
»Ich bin ihm ein paar Mal
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