Öland
nicht? Es ist von Ihrer Mutter.« Er nimmteinen großen Schluck aus seinem Glas. »Im Moment sollten
wir andere Dinge besprechen. Ich werde in zwei Tagen zurückfahren. Wir werden eine Weile nichts voneinander hören. Aber ich komme zurück, wenn alles organisiert ist, und
das wird dann das letzte Mal sein. Wie lange wird es dauern,
was meinen Sie?«
»Tja, ein paar Wochen vielleicht. Er muss ja erst seinen Pass
abholen und dann wieder nach Puerto Limón kommen«, antwortet Nils.
»Sehr gut«, sagt Fritiof. »Behalten Sie ihn im Auge, und bereiten Sie alles vor. Dann können Sie schon bald heimkehren.«
Nils nickt.
»Sehr gut«, wiederholt Fritiof und wischt sich das Gesicht ab.
Auf der Straße lacht jemand laut, ein Motorrad knattert
vorbei. Nils will einfach nur die Tür aufreißen und dieses
stinkende Zimmer verlassen.
»Was ist das eigentlich für ein Gefühl?«, fragt der Mann.
»Was meinen Sie?«, entgegnet Nils.
»Ich bin nur ein bisschen neugierig.« Der Mann, der sich
Fritiof Andersson nennt, sitzt lächelnd auf seinem schmutzigen Bettlaken. »Ich frage mich, Nils, aus purer Neugier … Was
ist das für ein Gefühl, jemanden umzubringen?«
24
G erlof und John fuhren über die Ölandsbrücke und die småländische Küste entlang nach Norden. Keiner von ihnen
sprach besonders viel während der Fahrt.
Gerlof dachte die meiste Zeit darüber nach, dass es zunehmend schwieriger wurde, das Altersheim zu verlassen – Boel
hatte ihn am Morgen sehr detailliert ausgefragt, wohin er fahren wolle und wie lange er wegbleiben werde. Zum Schluss
hatte sie angedeutet, dass er womöglich zu gesund sei, um
weiterhin in einem Altersheim zu wohnen.
»In Nordöland gibt es viele ältere Menschen mit körperlichen Gebrechen, die liebend gern ein Zimmer in unserer
Wohnanlage beziehen würden, Gerlof«, hatte Boel gesagt.
»Wir sind verpflichtet, gerecht zu bleiben.«
»Tun Sie das«, hatte Gerlof geantwortet und war mit seinem Stock davongehumpelt.
Hatte er etwa kein Recht, betreut zu werden? Er, der kaum
zehn Meter ohne fremde Hilfe zurücklegen konnte? Boel
sollte lieber froh sein, dass er ab und zu an die frische Luft
ging und sich mit alten Freunden traf, mit John zum Beispiel.
Oder etwa nicht?
»Anders ist abgehauen?«, fragte Gerlof schließlich, als sie
wenige Kilometer vor Ramneby waren.
»Ja«, sagte John.
John hielt sich immer an die Geschwindigkeitsbegrenzungen,und mittlerweile hatte sich eine beträchtliche Schlange
hinter ihnen gebildet.
»Ich nehme an, du hast Anders erzählt, dass ihn die Polizei
sucht«, sagte Gerlof.
John nickte bedrückt.
»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee war«, bemerkte Gerlof vorsichtig. »Die Polizei wird immer ungehalten, wenn
man nicht mit ihr reden will.«
»Er will doch nur seine Ruhe«, sagte John.
»Ich bin mir nicht sicher, ob das so gut ist«, wiederholte
Gerlof.
John schwieg eine Weile.
»Hast du eigentlich mit Robert Blomberg gesprochen, dem
Autohändler, als du letzte Woche in Borgholm warst?«, fragte
er plötzlich.
»Ich habe ihn gesehen«, erzählte Gerlof. »Er war in seinem
Geschäft. Aber wir haben uns nicht unterhalten, ich wusste
nicht recht, was ich sagen sollte.«
»Könnte er Kant sein?«, fragte John.
»Wenn du mich so fragst … Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich glaube es nicht«, sagte Gerlof. »Es erscheint
mir unwahrscheinlich, dass so einer wie Nils Kant mit einer
neuen Identität aus Südamerika zurückkommt und es dann
schafft, sich in Borgholm eine Existenz aufzubauen und ein
neues Leben zu führen.«
»Ja, vielleicht hast du recht«, meinte John.
Wenige Minuten später fuhren sie an dem gelben Schild
mit der Aufschrift RAMNEBY vorbei. Es war Viertel vor elf.
Ein riesiger Laster mit frisch geschlagenen Holzstämmen
donnerte an ihnen vorbei.
Gerlof war noch nie in Ramneby gewesen, weder privat
noch als Kapitän; er hatte den Ort immer nur passiert. Das
Dorf selbst war nicht viel größer als Marnäs, sie hatten es
schnell durchquert und bogen kurz darauf zum Sägewerk ab.
Neben dem verschlossenen Stahlgitter des Sägewerks befand sich ein Parkplatz, auf dem John das Auto abstellte.
Gerlof nahm seine Aktentasche, und sie gingen zum Tor
und klingelten. Nach einer Weile hörten sie ein Kratzen im
Lautsprecher neben dem Klingelknopf.
»Hallo?«, rief Gerlof. »Hallo, wir würden gerne das Holzmuseum besuchen. Könnten Sie uns bitte
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