Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
Vom Netzwerk:
und trieb ihn weiter. Er ahnte, woher das Geräusch kam, und
     hatte recht, es war eine leere Plastiktüte.
    Oder vielmehr eine Mülltüte, groß, schwarz und halb im
     Sand begraben. Wahrscheinlich war sie von einem der
     Schiffe, die auf der Ostsee fuhren, über Bord geworfen worden. Am Strand lag noch anderer Müll: ein alter Milchkarton,
     eine grüne Glasflasche und eine rostige Blechdose. Es war
     traurig, dass die Leute einfach ihren Müll über Bord warfen –
     aber wenn Gerlof überleben wollte, ging das nur mit diesem
     Müllsack. Wenn es ihm gelingen würde, ihn aus dem Sand
     auszugraben, ein Loch für den Kopf zu machen und ihn sich
     überzuziehen, würde er ihm helfen, seine Körperwärme über
     Nacht zu halten.
    Das war ein guter Plan für einen so unterkühlten Kopf.
     Das größte Problem war, wie er zum Strand hinabkommen
     sollte, denn die Wiese endete an einer steilen Kante, die von
     den Wellen in den Sand gefressen worden war.
    Vor zwanzig Jahren oder vielleicht auch nur vor zehn wäre
     Gerlof einfach hinuntergestiegen, ohne darüber nachzudenken – jetzt vertraute er seinem Gleichgewichtssinn nicht
     mehr.
    Gerlof holte tief Luft und machte, den Stock ausgestreckt,
     einen großen Schritt nach vorn.
    Aber er hatte kein Glück. Der Stock versank tief im feuchten Sand.
    Gerlof stürzte nach vorn, ließ den Stock viel zu spät los und
     hörte ihn mit einem lauten Knacken brechen.
    Er fiel und versuchte noch vergeblich, sich mit der rechten
     Hand abzustützen. Als er aufschlug, war der Sand so hart wie
     ein Steinfußboden, und ihm wurde die Luft aus den Lungen
     gepresst.
    Gerlof blieb regungslos liegen, er spürte, dass er sich etwas
     gebrochen hatte. Sich den Müllsack zu besorgen war ein guter Plan gewesen, aber jetzt würde er nicht mehr aufstehen
     können.
    Er schloss ergeben die Augen. Nicht einmal der Klang eines
     schnurrenden Automotors veranlasste ihn dazu, sie wieder
     zu öffnen.
    Ihn interessierte das alles nicht mehr.

33
    D as Funkgerät neben dem Lenkrad in Lennarts Streifenwagen hatte geschwiegen, bis er die Zentrale in Kalmar alarmiert hatte. Seitdem spuckte es kratzende Laute und Stimmfetzen aus, die Julia nicht verstand.
    Lennart hörte dagegen konzentriert zu.
    »Die Hundestaffeln verzögern sich«, übersetzte er und sah
     in die Dunkelheit hinaus, »aber ein Hubschrauber wird bald
     da sein.«
    »Wann?«, fragte Julia ungeduldig.
    »Sie werden in wenigen Minuten in Kalmar starten«, erklärte er ihr und fügte hinzu: »Die haben eine Wärmebildkamera.«
    »Wärmebildkamera?«, wiederholte Julia.
    »Eine Kamera, die menschliche Körperwärme erfassen
     kann. Vor allem bei Dunkelheit ist das von Vorteil«, erläuterte er.
    »Gut«, stieß Julia hervor, aber es beruhigte sie nicht übermäßig.
    Sie starrte unentwegt aus dem Beifahrerfenster, doch es
     war einfach zu dunkel, um etwas sehen zu können. Es war
     erst halb sieben und schon stockfinster. Sie konnte sich kaum
     orientieren.
    Kurz zuvor, in der Wohnanlage, hatte Boel zunächst gereizt
     und ärgerlich darauf reagiert, dass Gerlof noch nicht wieder
     zurück war.
    »Muss man ihn in Zukunft einsperren?«, stöhnte sie.
    Doch sie hatte sich schnell von Julias Sorge anstecken lassen und kurzerhand aus dem Personal einen Suchtrupp zusammengestellt, der sich zu Fuß aufmachte, um zu überprüfen, ob Gerlof eventuell an einer der Bushaltestellen in der
     Umgebung saß.
    Lennart bewahrte Ruhe, ohne den Ernst der Lage zu verkennen. Über Polizeifunk hatte er den wachhabenden Polizisten im Revier von Borgholm alarmiert.
    Nach einigen Telefonaten war es ihm gelungen, den Busfahrer ausfindig zu machen, der an der Endhaltestelle seiner
     Tour in Byxelkrock gewendet hatte und schon wieder in Borgholm war. Er konnte sich kaum an Gerlof erinnern, wusste
     aber zumindest, dass er an ein paar Haltestellen auf der Landstraße nach Marnäs sowie an mindestens drei Haltestellen
     zwischen Marnäs und Byxelkrock gehalten hatte.
    Es war kurz nach sechs, als Julia und Lennart die Wohnanlage verließen. Gleichzeitig machten sich zwei weitere Autos
     mit Mitarbeitern des Altersheims auf den Weg, um nach Gerlof zu suchen. Boel blieb auf der Station, um ans Telefon gehen zu können.
    Es regnete unaufhörlich. Julia und Lennart fuhren nach
     Süden, obwohl man nicht sicher sein konnte, dass Gerlof dort
     ausgestiegen war. Möglicherweise war er auch im Bus eingeschlafen und an einer späteren Haltstelle ausgestiegen. Aber
     irgendwo

Weitere Kostenlose Bücher