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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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stünde
     er in der Kälte an Deck eines Schiffs. Wenige Minuten später
     war die Welt in einen weißen Schleier gehüllt, in dem nichts
     mehr zu sehen war.
    Er hätte nach Hause gehen müssen, zu Ella und Jens, hatte
     sogar überlegt, es zu tun. Aber er war beim Bootshaus geblieben und hatte noch eine Zeit lang an den Netzen gearbeitet.
    Da er jedoch die ganze Zeit am Bootshaus geblieben war
     und ein gutes Gehör hatte, wusste er eines ganz sicher, wovon
     er allerdings niemanden hatte überzeugen können, außer
     vielleicht Julia: Jens war an jenem Tag nicht am Wasser gewesen. Gerlof hätte ihn gehört. Die Geräusche wurden durch
     den Nebel zwar gedämpft, aber man konnte sie hören. Jens
     war nicht ertrunken, wie die Polizei glaubte, sein Körper war
     nicht von der Strömung hinausgezogen worden.
    Jens war woanders hingegangen.
    Gerlof beugte sich über den Schreibtisch und notierte
     einen einzigen Satz:
    DIE ALVAR IST WIE EIN MEER.
    Ja. Dort draußen konnte alles geschehen.
    Er legte den Kugelschreiber auf den Schreibtisch und
     klappte das Notizbuch zu. Als er die Schublade herauszog,
     fiel sein Blick erneut auf die Sandale in ihrem Seidenpapier.
     Daneben lag ein dünnes Buch, das Anfang des Jahres veröffentlicht worden war.
    Es war ein Jubiläumsbuch, sechzig Seiten lang, mit dem
     Titel 40 Jahre Malmfrakt . Darunter war das Foto eines Schiffes
     abgebildet.
    Dieses Buch hatte ihm Ernst bei seinem letzten Besuch vor
     zwei Wochen geliehen.
    »Das könnte was sein«, hatte er gesagt. »Sieh dir mal Seite
     achtzehn an.«
    Jetzt nahm Gerlof das Buch aus der Schublade, schlug es
     auf und blätterte bis zu der Seite. Unter dem Text war ein
     kleines Schwarz-Weiß-Foto abgedruckt, das er schon viele
     Male studiert hatte.
    Das Bild war alt. Man sah eine Kaimauer in einem kleinen
     Hafen, auf dem Kai lag eine Ladung gestapelter Holzbretter.
     Schräg hinter dem Holzhaufen war der Achtersteven eines
     kleineren Segelschiffes zu erkennen, das Gerlofs Schiff sehr
     ähnlich sah, und neben dem Haufen hatte sich eine Gruppe
     von Männern in dunkler Arbeitskleidung und mit Schiffermützen aufgestellt. Zwei Männer standen breitbeinig vor dieser Gruppe, einer von ihnen hatte seine Hand freundschaftlich auf die Schulter des anderen gelegt.
    Gerlof starrte die Männer an, sie starrten zurück.
    Da klopfte es an der Tür.
    »Abendkaffee, Gerlof«, sagte Boels Stimme.
    »Ich komme«, antwortete Gerlof und schob den Stuhl zurück.
    Er erhob sich mühsam vom Schreibtisch, aber es fiel ihm
     schwer, den Blick von den Männern abzuwenden.
    Keiner von ihnen lächelte, und auch Gerlof lächelte nicht,
     denn nach seinem letzten Gespräch mit Ernst war er ziemlichsicher, dass einer der Männer auf dieser alten Fotografie
     den Tod seines Enkelkindes Jens verursacht und den Jungen
     heimlich vergraben hatte.
    Er wusste nur nicht, welcher der beiden.
    Mit einem Seufzer klappte er das Büchlein zu und legte es
     in die Schreibtischschublade. Dann nahm er seinen Stock
     und ging Kaffee trinken.

7
    A uf Öland bricht der Tag mit einem lautlosen gleißenden
     Licht entlang dem schnurgeraden Horizont an, aber Julia verschlief an diesem Oktobermorgen den Sonnenaufgang.
    Vor allen drei Fenstern in Gerlofs Bootshaus hingen kleine
     Rollos, die früher dunkelrot gewesen, mittlerweile aber von
     der Sonne ausgeblichen und hellrosa waren. Kurz vor halb
     neun löste sich die Arretierung des Rollos neben Julias Bett,
     es schnellte hoch und rollte sich mit einem Knall auf, der in
     der Stille wie ein Donnerschlag klang.
    Julia öffnete die Augen. Nicht der Knall hatte sie geweckt,
     sondern das Sonnenlicht, das so unvermittelt ins Zimmer
     schien. Sie blinzelte und hob den Kopf. Sie sah windgepeitschtes herbstgelbes Gras vor dem Fenster und erinnerte
     sich, wo sie war. Harter Wind und lichtdurchflutete Luft.
    Stenvik .
    Sie blinzelte erneut, versuchte den Kopf hochzuhalten,
     sank aber schnell wieder ins Kissen. Sie war schon immer ein
     Morgenmuffel gewesen, und in den letzten zwanzig Jahren
     war der Schlaf des Vergessens allzu oft sehr verlockend gewesen.
    In Stenvik aufzustehen fiel ihr besonders schwer, weil es
     nicht einmal ein warmes Badezimmer gab, in das man trotten konnte. Vor dem Bootshaus gab es nur einen steinigen
     Strand und eiskaltes Wasser.
    Julia erinnerte sich an das Prasseln des strömenden Regens,
     als sie gestern zu Bett ging, aber jetzt hörte man nur noch die
     Wellen am Strand. Das rhythmische Brausen

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